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Gruppenbild mit Dame: Roman (German Edition)

Gruppenbild mit Dame: Roman (German Edition)

Titel: Gruppenbild mit Dame: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Böll
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akzeptiert wurde. Arbeit als Ärztin in
     Arbeitervierteln im Ruhrgebiet. Konversion 1922. Vortragstätigkeit in jugendbewegten Kreisen. Klostereintritt nach großen
     Schwierigkeiten, die weniger auf ihre pseudomaterialistischen Lehren, vielmehr auf ihr Alter zurückzuführen sind. Immerhin
     war sie 1932 einundvierzig Jahre alt, und sie hatte – milde ausgedrückt – nicht total platonisch gelebt. Fürsprache durch
     einen Kardinal. Klostereintritt, Lehrtätigkeit nach einem halben Jahr untersagt. Nun« – hier griff die schöne Schwester Klementina
     ungeniert nach des Verf. Zigarettenpackung und »hieb sich ein Stäbchen ins Gesicht« (der Verf.) – »das Weitere kennen Sie
     ja ein wenig. Ich muß nur den potentiellen Eindruck korrigieren, man habe sie da im Kloster von Gerselen terrorisiert. Im
     Gegenteil: man hat sie versteckt. |398| Sie war als ›entwichen‹ gemeldet, und Fräulein Gruytens oder Frau Pfeiffers karitative, möglicherweise auch leicht homoerotische
     Bindung, ihre Fürsorge war in Wirklichkeit lebensgefährlich für Schwester Ginzburg, für das Kloster, für Fräulein Gruyten.
     Auch der Gärtner Scheukens hat im höchsten Grade leichtfertig gehandelt, als er Frau Pfeiffer einließ. Nun gut, das ist ja
     vorbei, es ist überstanden, wenn auch schmerzlich, wenn auch in gegenseitiger Bitterkeit, und da ich bei Ihnen wenigstens
     eine Andeutung dialektischer Motivationseinsicht voraussetze, brauche ich Ihnen nicht zu erklären, wieso man jemand, den man
     vor dem KZ bewahren möchte, wohl unter KZ-ähnlichen Umständen verstecken muß. Es war grausam; wäre es aber nicht grausamer
     gewesen, sie preiszugeben? Beliebt war sie nun einmal nicht, und es gab Schikanen, gab Bosheiten, immer gegenseitig, denn
     sie war eine hartnäckige Person. Also: kurz und gut, nun kommt das Schreckliche. Werden Sie mir glauben, wenn ich Ihnen sage,
     daß dem Orden nicht das geringste daran liegt, eine Selige oder Heilige zu kreieren, daß er aber auf Grund nun gewisser –
     gewisser Phänomene, die er am liebsten unterdrücken würde, fast dazu gezwungen ist, einen Weg zu gehen, der alles andere als
     populär ist? Werden Sie mir glauben?« Die Frageform des Futurums auf das Verb glauben angewandt, erschien dem Verf. aus dem
     Mund einer Germanistin diesen Ranges, einer »sündig« Virginiazigaretten inhalierenden Nonne, die ganz sicher, sooft sie in
     den Spiegel blickte, die klassische Linie ihrer kräftig-zarten dunklen Brauen, die Kleidsamkeit ihrer Nonnenhaube, die höchst
     verführerische Linie ihres kräftigen, offen-sinnlichen Mundes mit Wohlgefälligkeit bemerkte; die bewußt genug war, auch die
     Wirkung ihrer ungemein reizvollen Hände zu kennen; die, obwohl züchtig gekleidet, unter ihrem Habit eine makellose Brust »ahnen«
     ließ – aus diesem Mund erschien dem Verf. die Anwendung |399| der Frageform des Futurums im Zusammenhang mit dem Verb glauben sehr unfair! Eine simple, futurgebundene Frage, wie »Werden
     Sie mit mir spazierengehen?« »Werden Sie um meine Hand anhalten?«, ist in solchen Situationen durchaus erlaubt, aber die Frage,
     ob einer glauben wird , was er noch gar nicht gehört hat! Der Verf. war schwach genug, zustimmend zu nicken, zusätzlich, da er durch eindringliche
     Blicke zu verbaler Äußerung aufgefordert wurde, ein Ja zu hauchen, wie es ansonsten nur vor Traualtären gehaucht wird. Was
     blieb ihm – dem Verf. – anderes übrig? Daß die Reise nach Rom sich gelohnt hatte, war schon in diesem Augenblick nicht mehr
     zu bezweifeln, vermittelte doch dieser Ja-Hauch-Zwang dem Verf. Einblick in die hohen Qualitäten hochgezüchteter zölibatär-platonischer
     Erotik, wie sie ihm Schwester Cecilia nur andeutungsweise hatte vermitteln können. Selbst Schwester Klementina schien zu spüren,
     daß sie ein wenig zu weit gegangen war; sie nahm ziemlich viel vom intensiven Charme ihrer Augen zurück, ihr – es muß gesagt
     werden – Rosenmund verzog sich säuerlich, und der Verf. empfand, was sie nun sagte, als bewußt angewandte psychologische Dusche.
     Sie sagte, durchaus nicht ohne mit der Wimper zu zucken, im Gegenteil, ihre – überraschend und ernüchternd kurzen, harten,
     fast besenhaft wirkenden – Wimpern zuckten erheblich, als sie sagte: »Übrigens, wenn wir heute die Problematik der ›Marquise
     von O...‹ erörtern, wird uns von den Schülerinnen kaltschnäuzig entgegnet: ›Sie hätte die Pille nehmen sollen, auch als Witwe‹
     – auf diese Weise

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