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Gruppenbild mit Dame: Roman (German Edition)

Gruppenbild mit Dame: Roman (German Edition)

Titel: Gruppenbild mit Dame: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Böll
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Auskunftspersonen vor, so doch wenigstens verständnisvolle Wort zu sagen, war – Kurt Hoyser. Er wars, der eine Art
     Schlußwort sprach, indem er auf keineswegs bedrohliche, eher bittende Weise den Weg zum Ausgang versperrte, als der Verf.,
     Mantel und Mütze in der Hand, nach kurzen Abschiedsworten darauf zuschritt.
    |430| Was ihn betraf, hatte der Verf. sehr viele Vorurteile korrigieren müssen, hatte er ihm doch nach allen mitgeteilten Details
     wie eine Mischung von Hyäne und Wolf vorgeschwebt, als rücksichtsloser Ökonomieritter; doch hatte Kurt H. bei näherem Zusehen
     geradezu sanfte Augen, die nur in der Form, nicht aber im Inhalt denen seiner Mutter glichen; gewiß war Lottes spöttische
     Härte und ihre tränennahe Bitterkeit in diesen runden, sanften, braunen – man könnte getrost sagen – Rehaugen durch Elemente
     gemildert, die nur von seinem Vater Wilhelm, jedenfalls nur aus dessen Linie, wenn auch nicht von dessen Vater, Kurts Großvater,
     stammen konnten. Bedenkt man, daß die gesamte Erbmasse vieler direkt mit Leni befaßter Personen aus dem geographischen Dreieck
     Werpen–Tolzem–Lyssemich stammt, so muß man diesen Rübenäckern wohl doch ein kleines Lob spenden, mögen sie auch nebenbei die
     Pfeiffers hervorgebracht haben. Kein Zweifel: Kurt Hoyser war ein sensibler Mensch, und es mußte ihm, obwohl die Zeit drängte,
     Gelegenheit gegeben werden, dies auszudrücken. Er scheute sich nicht, dem Verf. die Hände auf die Schulter zu legen, und in
     dieser Geste lag wiederum weder Anbiederung noch Herablassung, lediglich eine gewisse Brüderlichkeit, die niemandem verweigert
     werden sollte. »Schauen Sie«, sagte er leise, »Sie sollen nicht mit dem Eindruck weggehen, als rolle nun, was Tante Leni betrifft,
     eine brutale sozialgeschichtliche Automatik ab, ein unerbittlicher Prozeß, der überfällige Strukturen zerstört und dem auch
     wir unterliegen; gewiß wäre das so, ließen wir diese Exmittierung ohne Bewußtsein, ohne Reflexion und gänzlich gewissenlos
     ablaufen. Dem ist aber nicht so. Wir tun es bewußt und nicht gewissenlos, jedenfalls nicht, ohne unser Gewissen geprüft zu
     haben. Ich streite nicht den Druck ab, der von anliegenden Grundbesitzern und Immobiliengruppen auf uns ausgeübt wird. Aber
     wir wären |431| stark genug, ihn abzuschütteln beziehungsweise Fristen eingeräumt zu bekommen. Ebensowenig will ich abstreiten, daß bei unserem
     Großvater eine heftige emotionale Motorik vorliegt, auch die könnten wir noch einmal kontern, wir könnten weiterhin, wie wir
     es jahre-, ja fast jahrzehntelang getan haben, Tante Lenis Mietkonto aus eigener Tasche ausgleichen, auf diese Weise glättend
     und versöhnend wirken. Schließlich lieben wir sie, verdanken ihr viel und empfinden ihre Schrulligkeit eher als liebenswürdig
     denn als unangenehm. Ich verspreche Ihnen und bevollmächtige Sie, den Inhalt dieses Versprechens weiterzugeben: wenn morgen
     die Exmittierung abgelaufen, die Wohnung geräumt ist, werden wir, Kurt und ich, sofort das Konto ausgleichen, alle Vollstreckungen
     aussetzen, es steht bereits eine sehr hübsche Wohnung in einem unserer Gebäudekomplexe für sie bereit, allerdings keine, in
     der sie zehn Untermieter unterbringen kann. Das nicht. Raum genug allerdings für ihren Sohn und möglicherweise für ihren Liebhaber,
     von dem wir sie keinesfalls trennen möchten. Es geht um etwas anderes, etwas, das ich, ohne mich zu schämen, Erziehungsmaßnahme
     nenne, eine liebevolle Dirigierung, die sich leider recht brutaler exekutiver Mittel bedienen muß. Es gibt nun einmal keine
     private Exekutive. Es wird also kurz und schmerzlos zugehen, doch gegen Mittag ist alles vorüber, und wenn sie sich nicht
     exaltiert, was bei ihr leider zu befürchten ist, wohnt sie bereits am Abend in der für sie bereitgestellten Wohnung. Es ist
     alles in die Wege geleitet, die ihr so lieben alten Möbel im entscheidenden Augenblick auszulösen oder zurückzukaufen. Die
     Aktion hat viel mehr sowohl erzieherische, liebevoll erzieherische wie prinzipielle Hintergründe. Vielleicht unterschätzen
     Sie die soziologischen Einsichten einer Gruppe wie der Haus und Immobilienbesitzer, doch ich kann Ihnen verraten: man ist
     längst dahintergekommen, daß es gerade diese |432| großen Altbauwohnungen sind, die relativ billig sind, einen gewissen Komfort haben und so weiter, in denen sich jene Zellen
     bilden, die unserer auf Leistung basierenden Gesellschaft den Kampf

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