Gruppenbild mit Dame: Roman (German Edition)
»türkische
Müllkutscher« aufzunehmen, Helzens jedoch, da Grete Helzen sich abends als Kosmetikerin in einem der Zimmer »etwas nebenbei«
verdiene, keinen Raum missen könnten, es unmöglich sei, die »fünf portugiesischen Freunde in einen Raum zu drängen«, sie aber
mit Bogakov, den sie ungeniert »meinen Pjotr« nannte, in Lenis Nähe bleiben wolle, müsse, um ihren Söhnen und ihrem Schwiegervater
»Stirn und Faust zu bieten«. »Das ist nur ein Aufschub, kein Ende.« Daß sie willens sei, mit Bogakov das Standesamt zu betreten
und er mit ihr, dieser aber weder nachweisbar Witwer noch geschieden sei.
|456| Leni lieferte schließlich doch noch einen Konversationsbeitrag, indem sie »Margret, Margret, die arme Margret« murmelte, erst
feuchten, dann tränenden Auges. Bis letzten Endes Mehmet durch ein undefinierbares Rucken, indem er sich noch aufrechter hinsetzte,
als er schon dasaß, unmißverständlich zu verstehen gab, daß er die Audienz für beendet betrachte.
Der Abschied – »hoffentlich kein endgültiger«, sagte K. zu Leni, die daraufhin so lieb lächelte – wurde dann auch vollzogen
und auf die übliche Weise verzögert, indem man die Fotos, das Klavier, die Wohnungseinrichtung als Ganzes mit freundlichen
Worten, das Wandgemälde mit enthusiastischen Worten bedachte, noch ein wenig in der Diele herumstand, wo Leni dann murmelte,
»wir müssen eben weiter mit irdischem Wagen, unirdischen Pferden weiterzukommen versuchen«, eine Anspielung, die nicht einmal
die offenbar lückenhaft gebildete K. verstand.
Draußen schließlich, auf der recht banalen Bitzerathstraße, verfiel K. in ihre unvermeidliche, unverbesserlich-literarische
Attitüde, indem sie sagte: »Ja, es gibt sie, und doch gibt es sie nicht. Es gibt sie nicht, und es gibt sie.« Eine, wie der
Verf. findet, Zweifelsattitüde, die weit unter dem Niveau der K. liegt.
Immerhin fügte sie hinzu: »Eines Tages wird sie alle diese Männer trösten, die durch sie leiden, sie wird sie alle heilen.«
Kurz darauf fügte sie hinzu: »Ich frage mich, ob Mehmet westliche Gesellschaftstänze so schätzt wie Leni.«
|457| 11
Erleichtert stellt der Verf. fest, daß er den Rest des Berichtes fast nur noch zu zitieren braucht: ein psychologisches Gutachten,
den Brief eines älteren Krankenpflegers, das Protokoll eines Polizeibeamten. Wie er in den Besitz dieser Dokumente gelangt
ist, muß er als Berufsgeheimnis hüten. Zugegeben, es ging nicht immer ganz legal zu, auch nicht immer vollkommen diskret,
doch dienen geringfügige Legalitäts- und Diskretionsverletzungen hier einem heiligen Ziel: der Sachlichkeit. Was bedeutet
es da schon, wenn etwa – was das psychologische Gutachten betrifft, das übrigens nichts Diskriminierendes enthält – eine Büroangestellte
der Hoysers (nicht die Mehrzweckdame!) mal rasch ein paar maschinengeschriebene Seiten durch den Trockenkopierer laufen läßt;
dadurch entsteht den Hoysers (man erinnere sich der fünf Millionen, die den Verf. einen Knopf gekostet haben) ein Schaden
von rund 2,50 DM, die anteiligen Betriebskosten allerdings nicht gerechnet. Ist das mit einer Schachtel Pralinen im Werte
von 4,50 DM nicht wettgemacht? Den Brief des Krankenpflegers besorgte, original, aber lange genug, daß der Verf. ihn eigenhändig
in einem Kaufhaus für 0,50 DM pro Seite fotokopieren konnte, die unermüdliche M. v. D. Gesamtkosten (einschl. Zigaretten für
letztere) rund 8,– DM. Das Protokoll des Polizeibeamten erhielt der Verf. kostenlos. Da es weder polizeiliche noch gar politpolizeiliche
Geheimnisse enthält, lediglich eine Art, wenn auch unfreiwilliger, so doch gelungener Sozialstudie ist, hätten zwar theoretisch,
nicht aber praktisch Bedenken bestanden, die einfach bei einigen Glas Bier über Bord gespült wurden, Bier übrigens, das zu
bezahlen der junge Polizeibeamte sich nicht nehmen ließ, ein verständlicher und vom Verf. respektierter Wunsch, den er nicht
einmal mit einem Blumenstrauß für die Frau oder |458| einem hübschen Spielzeug für das eineinhalbjährige Söhnchen des Polizeibeamten (»süß«, wie er nach einem Blick auf das Foto,
ohne heucheln zu müssen, bestätigen konnte) verletzen mochte. (Das Foto der Frau wurde ihm nicht gezeigt! Es wäre ihm auch
schwergefallen, die Frau eines anderen Mannes in dessen Gegenwart als »süß« zu bezeichnen.)
Zunächst also das betriebspsychologische Gutachten. Bildungsgang, Hintergrund, Alter etc. des
Weitere Kostenlose Bücher