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Gruppenbild mit Dame: Roman (German Edition)

Gruppenbild mit Dame: Roman (German Edition)

Titel: Gruppenbild mit Dame: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Böll
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bißchen spät, |451| aber nicht zu spät, und Gott segne Sie«, geflüstert dann: »Die wird es Ihnen beibringen.« (Korrektur unter Erröten, ebenfalls
     geflüstert:) »Ich meine, ein bißchen Ordnung und so.« Dann Tränen: »Ich bin ja nun ne alte Juffer geworden und geblieben.«
     
    Bogakov wurde im Heim als »verzogen« bezeichnet, überraschenderweise als »unbekannt verzogen«. Er hatte lediglich einen Zettel
     hinterlassen: »Nicht suchen lassen, vorläufig Dank, melde mich«, doch war diese Meldung seit vier Tagen nicht erfolgt. Belenko
     glaubte, Bogakov sei wieder »in Hurerei verfallen«, Kitkin hingegen glaubte, er sei wahrscheinlich als »roter Spitzel« unterwegs;
     die liebenswürdige Schwester gab offen zu, Bogakov zu vermissen, und gab gelassen bekannt, das geschehe im Frühling fast jedes
     Jahr. »Dann muß er einmal weg, es wird nur immer schwieriger, weil er doch seine Injektionen braucht. Hoffentlich hat ers
     warm.«
     
    Obwohl sie nun von und über Leni in so vielfältiger Reflexion, teils heftiger, teils direkter, teils indirekter (bei B. H.
     T., der immerhin ihre Existenz bestätigen konnte) erfahren hatte, wollte K. sie nun unbedingt sehen, »leibhaftig, greifbar,
     riechbar, sichtbar«. Nicht ohne Beben und Bangen ließ der Verf. durch Hans Helzen nun die längst fällige direkte Begegnung
     mit Leni arrangieren. Es wurde ausgemacht, weil Leni sehr »nervös« sei, lediglich Lotte, Mehmet und »Sie werden sich wundern,
     wen« zu dieser Begegnung zuzulassen.
    »Sie ist«, sagte Hans Helzen, »nach den ersten Spaziergängen mit Mehmet so erregt, daß die Gegenwart von mehr als fünf Personen
     für sie unerträglich ist. Deshalb werden auch meine Frau und ich nicht anwesend sein. Was sie besonders nervös macht, ist
     Verliebtheit und die damit verbundene erotische Erwartung oder Spannung, |452| wie sie Pelzer und Schirtenstein ausstrahlen, die sogar bei Scholsdorff andeutungsweise auftritt.«
    Da K. seine Nervosität eifersüchtig interpretierte, machte der Verf. ihr klar, daß er ja sogar über Leni alles, über sie –
     K. – fast gar nichts wisse; daß er sogar, auf Grund intensiver langwieriger Recherchen mit Lenis intimsten Intimsphären vertraut
     sei, sich wie ein Verräter oder Mitwisser vorkomme, während sie – K. – ihm nahe sei, sei Leni ihm, wenn auch sympathisch,
     so doch fremd.
    Es wird offen zugegeben, daß der Verf. froh war über K.s Begleitung, über deren sowohl philo- wie soziologische Neugierde,
     denn ohne sie – die er ja letzten Endes doch Leni Haruspica verdankte – wäre er gewiß in Gefahr geraten, von der unheilbaren
     Schirtensteinschen oder Pelzerschen Krankheit befallen zu werden.
    Zum Glück wurde seine erregte Aufmerksamkeit und Erwartung durch eine Überraschung abgelenkt: wer saß da, offen Händchen mit
     ihr haltend, vor Verlegenheit nicht lächelnd, sondern grinsend, neben der auf eine reizende Weise errötenden Lotte Hoyser
     auf dem Sofa? Kein anderer als Bogakov! Eins war sicher: die liebenswürdige Schwester im Heim, aus dem er entflohen ist, braucht
     sich keine Sorgen zu machen: warm hat ers! Und sollte irgend jemand daran gezweifelt haben, daß Lotte fähig ist, Wärme auszustrahlen,
     der muß hier eines Besseren belehrt werden. Da saß nun auch der Türke, überraschend, fast enttäuschend unorientalisch wirkte
     er; bäurisch, steif, nicht verlegen, in blauem Anzug, gestärktem Hemd, dezenter (mittelbrauner) Krawatte, saß er da, hielt
     Lenis Händchen in einer Pose, als säße er, etwa im Jahre 1889, vor der Riesenkamera eines Porträtfotografen, der soeben die
     Platte eingeschoben, um Unbeweglichkeit gebeten hat, bevor er auf den Gummiball drückt, der die Belichtung auslöst. Leni,
     nun, es blieb viel Bangigkeit, bevor ihr der Blick zu, dann jener voll auf sie |453| gerichtet wurde: immerhin hatte der Verf. sie im Laufe seiner unermüdlichen Recherchierarbeit nur zweimal ganz flüchtig auf
     der Straße gesehen, von der Seite, nie en face , ihren stolzen Gang bemerkt, nun aber gab es kein Ausweichen mehr, es mußte der Wirklichkeit ins Auge geblickt werden, und
     es sei hier ein schlichtes, auf understatement beruhendes: es lohnt sich! erlaubt. Es war schon gut, daß K. dabei war, sonst wäre Eifersucht auf Mehmet nicht ausgeschlossen
     gewesen; es blieb ohnehin ein Rest davon, ein leichtes Stechen des Bedauerns darüber, daß sie in dessen und nicht des Verf.
     Armen von Egge, Zeichner und Offizier träumte. Sie hat ihr

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