Guardian Angelinos: Tödliche Vergangenheit (German Edition)
ihrem über achtzigjährigen Großonkel mittlerweile fiel, in einen SUV zu klettern. Sie ertrug die Vorstellung einfach nicht, dass er alt wurde.
Sein Verstand war indes noch genauso scharf wie ihrer, und während der Fahrt ins Bankenviertel diskutierten sie über den Brief und darüber, welche Wörter möglicherweise fehlten.
Jedoch ohne weltbewegend neue Erkenntnisse. Vielleicht kam das FBI mit seinen ganzen Hightech-Möglichkeiten in der Sache weiter. Auf der Suche nach einer Parklücke fuhr sie langsam die Cambridge Street entlang, als bei einem blauen Scion die Bremsleuchten aufflammten. Vivi bremste, um sich die Lücke zu sichern.
In dem Moment, als das Auto aus der winzigen Lücke rangierte, die für den großen SUV eine echte Herausforderung darstellte, lief mit ausgreifenden Schritten ein Mann an ihnen vorbei und steuerte direkt auf den blauen Wagen zu.
»Sieh mal, wer da ist.«
Vivi erkannte ihn sofort. »Colton Lang.« Sie beobachtete, wie Lang auf die Fahrerseite des Wagens zuging, die Bewegungen seines hochgewachsenen, muskulösen Körpers geschmeidig elegant. Typisch Golfer, ätzte Vivi heimlich.
»Na, was ist jetzt? Willst du ihn weiter beobachten oder ihm den Brief geben?«
»Ich …« Lang umrundete eben im Laufschritt die Front des Autos, um die Beifahrertür zu öffnen und einzusteigen. »Ich fahr ihm hinterher.«
Der Scion fuhr die Cambridge hinunter, fädelte sich in die linke Spur ein und beschleunigte.
»Was hast du vor? Willst du etwa zu ihm nach Hause fahren?«
»Keine Ahnung«, gestand sie. »Kommt Zeit, kommt Rat.«
Sie trat aufs Gas und blieb drei Wagenlängen zurück. Schon nach kurzer Zeit bog der Scion in eine Seitenstraße, dann in die Beacon Street Richtung Westen, am Common und schließlich am Public Garden vorbei. Langs Fahrer fand eine Parklücke und stellte den Wagen ab. Vivi kroch im Schneckentempo weiter, während die beiden Männer aus dem Auto stiegen.
»Der da ist sicher kein FBI -Agent«, mutmaßte sie und musterte den älteren Mann, der auf der Fahrerseite ausstieg. »Die haben bestimmt eine Altersgrenze.«
»Hey, pass auf, was du sagst«, warnte Nino grinsend. »Okay, ich geb zu, dieser Typ ist eher in meinem Alter als in deinem.«
»Schätze mal, ich warte, bis er zurückkommt, und fange ihn ab, bevor er ins Auto steigt. Den beiden da jetzt irgendwie reinzufunken, fände ich doch etwas peinlich.«
Die beiden Männer gingen auf die Tore des Public Garden zu. Vivi blieb nichts anderes übrig, als sich mit laufendem Motor auf einen Behindertenparkplatz zu stellen, um schnell wegfahren zu können, falls sie ein Polizist auf ihrem Beobachtungsposten überraschte. Lang, der ins Gespräch vertieft war, überragte den Älteren, dessen Gesicht unter dem Schirm einer Baseballmütze der Red Sox verborgen war.
»Glaubst du, das ist Langs Dad?«, fragte sie.
Gleich nachdem sie den Park betreten hatten, setzten die beiden Männer sich auf eine Bank, immer noch in Sichtweite, hinter ihnen der See. Sie steckten die Köpfe zusammen und unterhielten sich ein paar Minuten lang. Vivi ließ sie nicht aus den Augen, nervös und aufgeregt wegen der Begegnung – zugegebenermaßen vor allem wegen Lang –, während Nino den Brief auseinanderfaltete, den sie zusammengepuzzelt und -geklebt hatten.
»Weißt du, was wir tun sollten, bevor wir den Brief hier aus der Hand geben?«, gab Nino zu bedenken. »Die Nummer da anrufen.«
Es gab momentan nichts, was sie lieber getan hätte. »Aber dann würden wir wirklich die Justiz behindern. Und Lang gibt uns nie wieder einen Auftrag.«
»Du warst drauf und dran, den Kerl selbst dingfest zu machen.«
Sie seufzte. »Korrekt. Ich werde Lang schwer bedrängen, dass ich weiter an diesem Fall arbeiten darf, ich weiß aber schon jetzt, dass diese Spaßbremse Nein sagen wird.«
Nino hatte schon sein Telefon herausgeholt. »Ich kann den Modus Rufnummernunterdrückung eingeben und dann behaupten, ich hätte mich verwählt.«
Es überraschte sie nicht wirklich, dass Nino diesen Trick kannte. »Und was hast du davon?«, fragte sie.
»Eine Stimme. Du kannst Lang sagen, ob ein Mann oder eine Frau drangegangen ist.« Er wählte, und Vivi hielt ihn nicht davon ab, zumal sie Bauchschmerzen vor Neugier hatte. Hatte Lang den Brief einmal in den Fingern, war sie komplett raus aus der Sache.
Die Männer standen auf und trennten sich. Lang ging weiter in den Park hinein, zum See, an dessen Ufer feste vertäute Leihboote schaukelten.
»Oh Scheiße, geht
Weitere Kostenlose Bücher