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Guido Guerrieri 01 - Reise in die Nacht

Guido Guerrieri 01 - Reise in die Nacht

Titel: Guido Guerrieri 01 - Reise in die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gianrico Carofiglio
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ausgeschlossen war.
    Ich begann, mich unwohl zu fühlen und mein Fluchtinstinkt meldete sich immer lauter zu Wort.
    Melissa kannte alle und redete mit allen. Aber vielleicht spielte sie auch nur dieselbe Posse wie auf Renatos Fest. In diesem Fall kam mir der Part zu, den letztes Mal der Buchhalter gespielt hatte. Verdoppelter Fluchtinstinkt. Angst. Angst. Ich fühlte mich beobachtet. Angst.
    Dann begann Gott sei Dank das Konzert der Acid Steel .
    Ich habe keine Lust, über die zwei Stunden andauernde Dauerbeschallung zu sprechen, der ich wehrlos ausgesetzt war, auch weil sich mir mehr noch als der Lärm der Gestank eingeprägt hat. Bier, Zigaretten, Hasch, Schweiß und sonstige Aromen schwängerten die Luft in der düsteren Halle. Irgendwann schoss mir der absurde Gedanke durch den Kopf, die ganze Bude könne von einem Moment auf den andern explodieren und der mörderische Geruchs-Cocktail ins All hinauskatapultiert werden. Das Positive daran wäre gewesen, dass auch die Acid Steel – deren deutlich sichtbare Transpiration vermuten ließ, dass sie nicht unwesentlich zum allgemeinen Gestank beitrugen – im All verschwunden wären und man nie wieder etwas von ihnen gehört hätte.
    Die Halle explodierte nicht. Melissa trank fünf oder sechs Flaschen Bier und rauchte mehrere Zigaretten. Ich bin mir nicht sicher, dass es sich nur um Zigaretten handelte, denn in der Finsternis war die Herkunft der Gerüche – auch der Marihuanaschwaden – unmöglich auszumachen. Ein paar Mal hatte ich auch den Eindruck, dass sie zusammen mit dem Bier irgendwelche Tabletten schluckte.
    Ich beschränkte mich darauf, meine Zigaretten zu rauchen und ab und zu einen Schluck aus den Flaschen zu nehmen, die Melissa mir reichte.
    Irgendwann war das Konzert zu Ende, und ich kaufte die CD der Acid Steel , die am Ausgang angeboten wurde, nicht.
    Melissa verabschiedete sich von einer Gruppe merkwürdiger Gestalten, mit denen ich schon befürchtet hatte, den Rest des Abends verbringen zu müssen, nahm mich an der Hand und zog mich nach draußen. In der Dunkelheit des Ackers, der als Parkplatz diente, fühlte ich, wie mir das Blut ins Gesicht und sonst wohin schoss.
    »Gehen wir noch etwas trinken?«, gurrte sie mit merkwürdig anzüglicher Stimme, während sie ihren Daumen auf meinem Handrücken rieb.
    »Vielleicht essen wir auch was.« Ich dachte an die vielen Liter Bier, die sie bereits intus hatte, und an die anderen, mir nicht näher bekannten Psychostimulantien, die in ihrem Blut und zwischen ihren Neuronen zirkulierten.
    »Oh, ja, ich hab Lust auf was Süßes. Einen Crêpe mit Nutella oder mit Sahne und zerlaufener Schokolade.«
    Wir fuhren also nach Bari zurück und gingen ins Gaughin. Dort gab es leckere Crêpes, hübsche Fotos an den Wänden, und man wurde höflich und nett bedient. Mit Sara war ich oft dorthin gegangen, seither aber nie mehr. Bis zu diesem Abend.
    Ich war kaum angekommen, als ich es auch schon wieder bereute. An den Tischen bekannte Gesichter. Ein paar, die ich grüßen musste, vom Sehen kannten mich alle.
    Der Wirt und die Kellner, die zwischen den Tischen herumliefen, starrten uns an. Starrten mich an. Ich konnte ihre Gedanken förmlich hören. Ich wusste , dass sie jetzt über mich reden würden. Ich kam mir vor, wie ein fieser Vierziger, der es mit Schulmädchen treibt.
    Melissa hingegen war ganz in ihrem Element und plapperte ohne Unterlass.
    Ich nahm einen Crêpe mit Schinken, Walnüssen und Mascarpone und dazu ein kleines Bier. Melissa bestellte zwei süße Crêpes, den ersten mit Nutella, Haselnüssen und Banane, den zweiten mit Ricotta, Rosinen und heißer Schokolade. Sie trank drei Calvados. Sie redete viel. Zwei- oder dreimal berührte sie meine Hand. Einmal hielt sie mitten in ihrem Redefluss inne, starrte mich an und biss sich dabei unmerklich auf die Unterlippe.
    Das ist eine Aufzeichnung von Vorsicht Kamera , dachte ich. Melissa ist eine Schauspielerin, irgendwo ist eine Fernsehkamera versteckt, ich werde jetzt gleich irgendetwas total Komisches sagen oder tun, und dann wird jemand aufspringen und mich bitten, in die Kamera zu lächeln.
    Aber es sprang niemand auf. Ich bezahlte die Rechnung, wir gingen zu meinem Auto, ich ließ den Motor an und Melissa sagte, wir könnten den Abend ja mit einem Gläschen bei ihr beschließen.
    »Nein, danke. Du bist Alkoholikerin oder noch schlimmer. Ich bringe dich jetzt nach Hause, komme nicht mit hoch und gehe ins Bett.« Hätte ich sagen sollen.
    »Gern, aber nur auf

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