Guillou, Jan - Coq Rouge 05 - Der ehrenwerte Mörder
verbotenes Überholmanöver machte.
»Das ging vielleicht schnell«, sagte er nachdenklich.
»Misch dich nicht ein. Ich fahre.«
»Nein, ich meine die Anklage. Daß die so schnell gekommen ist.«
»Ach so, das. Ja, Körperverletzungen durch Polizisten haben neuerdings Vorrang. Wenn man angeklagt wird, soll man so schnell wie möglich verurteilt werden.«
»Wie wird es ausgehen?«
»Woher zum Teufel soll ich das wissen? Der Staatsanwalt ist jedenfalls recht nett gewesen. Er hat zwei alternative Anträge vorbereitet, schwere oder leichte Körperverletzung.«
»Wenn du wegen schwerer Körperverletzung verurteilt wirst, ist deine Laufbahn zu Ende, und bei leichter Körperverletzung hättest du noch Chancen? Ist es so?«
»Mhm, etwa so, könnte man sagen.«
Sie hatten inzwischen die Autobahn nach Stockholm erreicht. Sie verringerte plötzlich auffällig die Geschwindigkeit, als sie einen weißen Ford Scorpio mit schwarzem Heckspoiler entdeckte.
»Ist was passiert?« fragte er besorgt.
»Nee. Aber in dem weißen Wagen da sitzen Kollegen. Autobahnpolizei. Nicht nötig, sie aufzuregen.«
Sie winkte ihren Kollegen fröhlich zu, als sie auf der Überholspur nur wenig über der Geschwindigkeitsgrenze vorbeifuhr. Die Männer winkten zurück.
»Sich vorzustellen, daß wir uns so kennengelernt haben«, überlegte er. »Und du hattest keinerlei Erbarmen mit einem zu schnell fahrenden Marineoffizier.«
»Nein, das fehlte noch. Außerdem war es doch gut, daß ich dich erwischt habe.«
»Ja? Das habe ich doch gesagt. Wann stehst du vor Gericht?«
»In einer Woche oder so.«
»Hast du einen Anwalt?«
»Ja, die Gewerkschaft hat einen besorgt, aber ich weiß nicht, wie er heißt.«
»Du brauchst den besten Anwalt, den man für Geld bekommen kann. Wenn du verurteilt wirst, läufst du Gefahr, gefeuert zu werden.«
»Schon zu spät. Wenn sie einem einen Pflichtverteidiger bestellt haben, kann man nicht einfach wechseln. Dann muß man aus eigener Tasche löhnen. Außerdem spielt es keine Rolle, da die Nebenkläger bei solchen Prozessen meist nicht auftauchen.«
Er wollte etwas einwenden, aber zugleich das Thema wechseln. Sie war immer übertrieben auf der Hut, wenn sie glaubte, daß er sich auf ihr Gebiet zu begeben versuchte. Sie wollte ihr Revier behaupten. Wie manche Ricken, nein, es sind meist ältere und nicht mehr fruchtbare Rehe, dachte er.
Jedenfalls durfte sie nicht wegen Körperverletzung verurteilt werden, das stand fest. Dann würde man sie entlassen, und sie würde mittellos dastehen, wenn…
Er korrigierte sich. Es würden ihr nie die Mittel fehlen, sich zu versorgen, zumindest würde sie nicht ohne Geld dastehen. Das stand fest, selbst wenn sie sich dessen nicht bewußt war oder es nicht sein wollte. Aber sie würde ihren Beruf verlieren, das Wichtigste in ihrem Leben.
Das Wichtigste in ihrem Leben?
Ja, einerseits. Abgesehen von allem anderen hatte sie immer Polizistin werden wollen und wollte es weiterhin bleiben.
Sie gab Gas und hielt eine Geschwindigkeit, die sie den Führerschein kosten würde, wenn man sie schnappte. Aber sie erkannte ja jeden Polizeiwagen, und außerdem stellten sich Polizisten wohl nicht gegenseitig ein Bein.
Carl grübelte darüber nach, was er gegen den Prozeß tun konnte. Wenn der Nebenkläger verhindert wäre, würde nichts daraus werden. Konnte er das erreichen?
Nein. Das war aus zwei Gründen nicht möglich. Erster und wichtigster Grund: Sie würde toben, wenn sie es herausfand. Zweitens war es illegal, und jede Illegalität birgt Risiken.
Ob es ihm gelingen würde, den Nebenkläger zu kaufen?
Das barg auch Risiken, sogar gewaltige, und würde diese Skinhead-Geschichte an die Öffentlichkeit bringen, wenn es zu einem Skandal kam. Bei Expressen würden sie einen Orgasmus bekommen, wenn sich eine solche Gelegenheit bot.
Er würde untersuchen, wer unter den Anwälten in Stockholm der beste Strafverteidiger war, den Mann anheuern und ihm für den Fall eines Freispruchs einen Bonus zusagen. Das konnte doch nicht illegal sein?
Wie auch immer: Sie durfte auf keinen Fall den Job verlieren.
»Ist inzwischen in Schweden was passiert? Hat es ein paar lustige Skandale gegeben, neue Triumphe der Polizei oder so etwas?« fragte er.
»Nein, nur das, was du angerichtet hast, wird weiter durchgekaut.«
»Was ich angerichtet habe?« fragte er bemüht entspannt, da er noch die Skinhead-Affäre im Kopf hatte.
»Ja. Der operative Chef von Säk, wie heißt er
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