Guillou, Jan - Coq Rouge 05 - Der ehrenwerte Mörder
schon damals ein Verbrechen hätte sein müssen. Norwegische Spione sollten interniert werden. Die Ausländerpolizei in Ed hatte zahlreiche solcher Fälle zu bearbeiten gehabt.
Nun, wenn die Verschwörer Verbrechen begangen hatten, konnte dies möglicherweise ihr gewaltsames Hinscheiden erklären.
Aber von Otter und af Klintén fast fünfzig Jahre danach? Das schien völlig verrückt zu sein.
Nein, aber das war jedenfalls die Spur, welche die Militärs verfolgten, und gerade diese Militärs waren sicher keine Dummköpfe.
Allmählich wurden die Fragen selbstverständlich. Was geschah in Ed in den Jahren 1942 und 1943? Hatte Oberwachtmeister Jubelius etwas mit Ed und zwei ausgewiesenen Norwegern zu tun gehabt? Gab es eine Verbindung zwischen af Klintén und Ed? War es möglich, diesen beiden Norwegern mit Hilfe der Flüchtlingspolizei in Ed irgendwie auf die Spur zu kommen?
Gab es bei den Militärs in Ed etwas aus den damaligen Kriegstagebüchern?
Das waren gute Fragen, glänzende Fragen. Rune Jansson und Kapitän Seebär waren viel zu ausgefuchste Polizeibeamte, um ohne weiteres zu glauben, sie könnten mit Sicherheit Antwort auf diese Fragen erhalten.
Allerdings hatten sie ein paar gute Fragen, etwas Greifbares, woran man sich festbeißen konnte, etwas Konkretes, was die Stimmung von Resignation und das Gefühl, alles sei schon ausgereizt, aufrieben konnte.
Sie fühlten sich daher übertrieben optimistisch, als sie das Material unter sich aufteilten. Erst sollte nachgedacht werden, und anschließend würde Kapitän Seebär wahrscheinlich erneut zur Flüchtlingspolizei nach Ed fahren müssen. Doch diesmal mit etwas konkreteren Fragen; bei seinem ersten Besuch hatte sein Gesprächspartner die Hälfte des Zweiten Weltkrieges aus schwedischer Sicht über ihm ausgeschüttet.
Ed war während des Krieges unter anderem ein Knotenpunkt der Kommunikation zwischen den Nachrichtendiensten Norwegens, Großbritanniens, Schwedens und Deutschlands gewesen.
Die Formen der Zusammenarbeit waren jedoch nicht immer gleich gewesen, und ebenso hatten die Abläufe manchmal dramatische Veränderungen durchgemacht. Je nachdem, ob man das Geschehen von einer Position vor oder nach dem 2. Februar 1943 betrachtete, gluckste Kapitän Seebär.
»Was ist denn am 2. Februar 1943 passiert?« fragte Rune Jansson. Er hatte sich in ein Vernehmungsprotokoll vertieft, in dem Bootsmann Andersson sich äußerte. Rune Jansson hatte schon eine Idee. Sie würde vielleicht zu nichts führen, aber es war immerhin eine Idee.
Carl fühlte sich munter, als er in der Maschine von Oslo nach Stockholm saß und sich Notizen machte.
Die Besprechung der praktischen Details mit Iver Mathiesen war nicht ganz ohne Komik verlaufen. Denn Lauschangriffe waren in Norwegen möglicherweise juristisch weniger kompliziert als in Schweden. Doch wenn es überhaupt etwas gab, wobei sich der militärische Nachrichtendienst Schwedens im Augenblick nicht erwischen lassen durfte, dann war es der Schmuggel von Abhörmaterial.
Was Carl mit gewissem Nachdruck betont hatte.
Was Iver Mathiesen vor Lachen und verständnisvoller Sympathie hatte aufheulen lassen. Einmal standen mehr oder weniger merkwürdige Parteifreunde der schwedischen Regierung in Schweden vor Gericht, weil sie Abhörausrüstung geschmuggelt und illegale Abhöraktionen vorbereitet hatten. Zum anderen war der schwedische Reichstag dabei, auf seine Regierung und eventuell auch auf Teile des militärischen Nachrichtendienstes einzuprügeln, weil der mit physischer Gewalt, um nicht zu sagen einem overkill , gegen illegale Abhöraktionen eingeschritten war, bei denen sich die schwedische Sicherheitspolizei hatte erwischen lassen.
Wenn Carl, Joar und Åke im norwegischen Zoll mit Abhörausrüstung geschnappt würden, wäre es für die Säpo ein gefundenes Fressen.
Iver Mathiesen hatte für solche Probleme jedoch ebenso einfache wie konventionelle Lösungen angeboten. Overvåkingspolitiet und der Zoll in Norwegen hatten gute Verbindungen. Ein Mann von overvåkingen sollte auf der schwedischen Seite warten, sich Carls Transport anschließen und auf der norwegischen Seite sofort mit dem Zoll sprechen. So hatte man es schon früher getan und würde auch in Zukunft damit fortfahren. Da würde es keine Probleme geben. Wie das Zeug dann nach Schweden zurückgeschafft werden sollte, war eine spätere Frage.
Anschließend würde ein schwedischer Wohnwagen mit norwegischen Kennzeichen versehen werden müssen. Doch statt
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