Guillou, Jan - Coq Rouge 05 - Der ehrenwerte Mörder
falsche Nummernschilder zu verwenden, konnten sie auch den schwedischen Caravan irgendwo parken und sich einen norwegischen mieten, dann war alles legal. Überdies konnten sie über einen Strohmann mieten, so daß sie keine Spur hinterließen.
Was die übrigen logistischen Probleme anging, mußten sie warten, bis diese sich stellten. Wenn die Operation erst mal auf norwegischem Territorium begonnen hatte, würden die drei mit Improvisationen leicht weiterkommen. Sie mußten nur mit ihrer norwegischen Anlaufstelle Kontakt halten, was ohnehin eine Selbstverständlichkeit war. Es hatte eine halbe Stunde gedauert, die praktischen Details zu klären. Carl hätte dies ohne weiteres auch schon am Tag zuvor tun können, statt all die Ausweichmanöver auf sich zu nehmen, um Oslos Journalisten abzuschütteln, die ihm und Tessie den Abend teilweise verdorben hatten.
Der Gedanke aber, er und die Kollegen könnten beim Zoll als Schmuggler von Abhörausrüstung geschnappt werden, war unleugbar amüsant. Nun, das Problem war jetzt gelöst.
Carls gute Laune schwand blitzschnell, als eine Stewardeß mit dem Zeitungswagen vorbeikam. Er hatte gar nicht die Absicht gehabt, Zeitungen zu lesen, aber der Passagier neben ihm, offenbar ein Schwede, gab ihm einen leichten Stoß mit dem Ellbogen und zeigte vielsagend auf die erste Seite von Expressen.
Carl riß ein Exemplar an sich und stellte fest, daß die halbe Zeitung auf den ersten Blick nur von ihm zu handeln schien. Das Blatt brachte verschiedene Bilder, auf denen er mal lächelte, mal zornig wirkte, dann bekümmert, obwohl sämtliche Fotos vor einem Jahr beim selben Anlaß aufgenommen worden waren.
Nein, nicht alle Fotos, wie sich zeigte. Etwas weiter hinten im Blatt, als er schon glaubte, nicht mehr erwähnt zu werden, fand er ein Bild von sich und Tessie im Theatercafé in Oslo. Aus dem Artikel ging hervor, daß Verden s Gang und Expressen zusammenarbeiteten und daß das norwegische Material von einem schwedischen Reporter bearbeitet worden war, demselben Reporter, der für die meisten Hamilton-Geschichten des Blattes verantwortlich zeichnete.
Carl las zunächst das Private.
Während seine Lebensgefährtin bei dem bevorstehenden Prozeß in Stockholm angeklagt und von Verurteilung bedroht sei, sei er selbst mit einer rätselhaften schönen Dame in Oslo zu sehen, und so weiter. Es hatte den Anschein, als wäre das Blatt im Namen Eva-Britts tief entrüstet, ohne jedoch etwas zu sagen, worauf man den Finger legen konnte. Mit Ausnahme möglicherweise eines Zitats, das unter dem Bild groß herausgestellt wurde: »Ich bin aus rein privaten Gründen in Oslo und möchte in solchen Zusammenhängen nichts mit Journalisten zu tun haben.«
Carl blätterte von hinten nach vorn. Im nächsten Artikel über ihn ging es um Eva-Britts Prozeß vor dem Stockholmer Amtsgericht, und der Reporter erklärte, daß es entweder ein wahres Wunder oder ein Anzeichen für schwere Korruption wäre, wenn Eva-Britt dem Gefängnis und der Entlassung entgehe, vor allem da ihr Mann Millionär sei und einen Staranwalt angeheuert habe, um auf diese Weise die Gerechtigkeit zu manipulieren.
Dann folgte ein langer Angriff auf den Staranwalt, aus dem Carl nicht recht schlau wurde. Er wußte nämlich nicht, daß er unglücklicherweise ausgerechnet den Staranwalt gewählt hatte, der seit zwei Jahrzehnten in einer Fehde mit dem Expressen- Chefredakteur lag. Aus diesem Grund gaben sich sämtliche Journalisten des Blattes äußerste Mühe, gerade diesen Anwalt anzugreifen und stets alle Ressourcen der Zeitung und sämtliche Sympathien auf den jeweiligen Gegner des Staranwalts zu verlegen, da dies in der Chefredaktion Pluspunkte gab.
Noch einmal durfte der als Uhrmacher vorgestellte Trunkenbold an die Öffentlichkeit treten und sein unerhörtes Leiden nach der brutalen Mißhandlung schildern. Ferner durfte er seine Ansichten über Gleichheit vor dem Gesetz vortragen, über Gerechtigkeit und Demokratie und andere Grundsätze, die dem Wortlaut nach zu urteilen ebensogut von dem Reporter stammen konnten wie vom Opfer selbst.
Weiter vorn im Blatt, wo die politisch gewichtigeren Nachrichten gebracht wurden, jammerten anonyme Informanten bei der Sicherheitspolizei, sie seien von diesem Hamilton und dessen Torpedos völlig unnötig einer brutalen Körperverletzung ausgesetzt worden, und das gerade in dem Augenblick, in dem sie nahe daran gewesen seien, gegen die Terroristen zuzuschlagen, die hinter den Morden an den Generälen
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