Guillou, Jan - Coq Rouge 05 - Der ehrenwerte Mörder
Bord der »Elisabeth Bakke« zu bringen, mit der sie Göteborg im Dezember 1940 verließen.
Dort hätte es also schon enden können, da zwei Marineoffiziere nach ihren Versuchen, die »Elisabeth Bakke« mit Hilfe der Deutschen am Erreichen Englands zu hindern, wegen Spionage verurteilt worden waren.
Doch mit etwas Nebel und etwas Glück hatte das Schiff es geschafft. Die deutsche Kriegsmarine erwischte die »Elisabeth Bakke« nie, obwohl die Deutschen im voraus von schwedischen Spionen informiert worden waren.
In Schottland waren Pettersen und Skauen vom militärischen Nachrichtendienst ausgebildet und dann zu verschiedenen Aufträgen nach Norwegen geschickt worden.
Und dann waren sie wieder nach Göteborg gekommen, wie es schien.
Es ging offenbar um Schiffe, welche die schwedische Regierung daran hindern wollte, nach England auszulaufen, »Lionel« und »Dicto«. Irgend etwas sollte im Zusammenhang damit geklärt werden, doch hier war die Zusammenfassung im Urteil des »Volksgerichtshofs« allzu kurz gefaßt.
Die feindseligen Handlungen der beiden, wie der »Volksgerichtshof« meinte, hätten sich in Göteborg unter anderem gegen die Nazi-Informanten Bootsmann Andersson und Oberwachtmeister Jubelius gerichtet, und dafür sollten sie nach Gesetz und Recht geköpft werden.
Soweit war nichts von Bedeutung neu. Hier wurde nur bestätigt, was schon bekannt war. Und jetzt blieb noch die hoffnungslose Aufgabe, all diese halbantiquarischen Akten, die in einer fünfzig Jahre alten Juristensprache und überdies auf deutsch abgefaßt waren, übersetzen zu lassen und zu deuten.
Vergnüglichere Aufgaben ließen sich mühelos vorstellen.
Und solche waren ganz offenbar in Vorbereitung. Es war Carl schon am Gesicht anzusehen, als er eintrat und dem ihm halb fremden Major zu verstehen gab, er solle sie allein lassen. Der Major verließ brummelnd den Raum.
»It’s go o n all Systems« , sagte Carl aufgeräumt. »Wir beginnen mit der Operation Truthfinding in zwei Tagen in Oslo. Wir drei sind von schwedischer Seite dabei und dann noch ein norwegischer Kollege, der die Operation verantwortet. Gentlemen, we are airborne! «
Carl rieb sich die Hände und blinzelte Åke Stålhandske zu, der ebenso schnell wie sichtlich durch die frohe Nachricht aufgemuntert wurde und sofort damit begann, die alten deutschen Akten zusammenzupacken.
»Steht da etwas drin, was ich wissen sollte?« fragte Carl und zeigte auf den Dokumentenstapel, der jetzt in einem Ordner verschwand.
»In der Sache steht nichts drin, was wir nicht schon wissen«, sagte Joar Lundwall vorsichtig.
»Etwas über von Otter?«
»Ja, er ist in dem Schlamm irgendwie dabei, genau wie Jubelius und dieser Andersson, aber hier findet sich nichts, was uns zu dem Warum führen konnte.«
»Aha. Na ja, das sollen wir jetzt schließlich selbst herausfinden, nachdem wir grünes Licht bekommen haben. Also, die Operation wird wie folgt eingeleitet…«
Carl skizzierte schnell die Vorbereitungen der nächsten vierundzwanzig Stunden, erklärte, welchen Typ Wohnwagen und Zugfahrzeug sie verwenden sollten, welche Ausrüstung und Bewaffnung sie anwenden sollten und außerdem welche Art Material mitgenommen werden sollte, um eventuelle unangenehme Verhöre durchführen zu können. Diese Dinge sollten möglichst unauffällig verpackt werden.
Dann beschäftigten sie sich eine Zeitlang mit praktischen und bürokratischen Vorbereitungen, bei denen es in erster Linie darum ging, wie die verschiedenen Ausrüstungsgegenstände quittiert werden sollten.
Sie lachten laut, als Åke die Frage stellte, wie all dieses Zeug über die norwegische Grenze gebracht werden sollte, und Carl mit gespielter Unschuld erklärte, das werde im Schutz der norwegischen Sicherheitspolizei geschehen.
»Aber da ist noch etwas, wobei ich gern eure Hilfe hätte, etwas, was mit unserem Auftrag ganz und gar nichts zu tun hat«, sagte Carl plötzlich überraschend.
Er erwartete keine Antwort, keine Frage oder Proteste, sondern wartete nur ab, bis er ihre volle Aufmerksamkeit hatte.
»Es geht um eine kleine maskirowka , für die ich selbst die Verantwortung übernehme. Wir wollen so ein A 1-Dossier zusammenstellen, oder wie die Dinger heißen, ihr wißt, dieses Zeug, das kein Mensch sehen darf, das Allergeheimste bei der Säpo, mit allen entsprechenden Stempeln versehen. Wir haben doch so eins irgendwo in den Stapeln, nicht wahr?«
»Ja«, erwiderte Stålhandske, »aber die, die wir haben, dürften recht alt sein.
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