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Guillou, Jan - Coq Rouge 05 - Der ehrenwerte Mörder

Guillou, Jan - Coq Rouge 05 - Der ehrenwerte Mörder

Titel: Guillou, Jan - Coq Rouge 05 - Der ehrenwerte Mörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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sich anstrengen, um sich zu beherrschen, und er mußte sich bemühen, nicht plötzlich irgendwie aufzuspringen, zu schreien oder in Tränen auszubrechen oder sonstwie zusammenzuklappen.
    »Was hast du an ihr gefunden, als ihr euch kennenlerntet?«
    fragte Tessie beinahe flüsternd.
    »Schwer zu sagen. Es war eine andere Zeit. Du weißt. Ich lebte allein in einem Vakuum meines Jobs, begegnete nie einem normalen Menschen, diskutierte nie mit gewöhnlichen Menschen, all diese Leute, die ich in der Theorie mit meinem Leben und so weiter schützen soll. Ich sehnte mich so wahnsinnig nach normalen, ehrlichen Leuten. Ja, es hört sich vielleicht albern an, aber so war es. Und dann kam sie plötzlich in mein Leben gerauscht, eine ehrliche Polizistin, eine richtig gute Polizistin. Ein bißchen religiös noch dazu, ungefähr wie du, solche Dinge, die mich sentimental machen. Sie war für mich eine Art Kur, ein Kontakt mit der Wirklichkeit, oder wie ich das nennen soll.«
    »Wie habt ihr euch kennengelernt?«
    »Sie hat mich wegen zu schnellen Fahrens erwischt.«
    Tessies Lachen war wie eine Befreiung für beide. Doch dann kroch das Schweigen wieder an sie heran. Sie tranken etwas von ihrem Wein und sahen sich an, und je länger die Stille anhielt, um so verzweifelter versuchten beide, etwas zu sagen, bevor das, was geäußert wurde, zu hart werden konnte. Als wäre das Schweigen eine Art Bestätigung oder Übereinkunft.
    »Willst du, daß ich Schweden verlasse?« fragte Tessie schließlich, da das Schweigen schon so lange gedauert hatte, daß es nicht mehr möglich war, eine andere Frage zu stellen oder etwas Banales zu sagen.
    »Nein«, erwiderte er langsam. Sein Versuch zu lächeln mißlang gründlich. »Ich bin verrückt, ich weiß. Aber das will ich nicht. Ich würde dir nur nachreisen.«
    »Du wirst Eva heiraten… Eva-Britt, spreche ich den Namen richtig aus?«
    »Aber ja.«
    »Du wirst sie heiraten, willst aber nicht, daß ich dich verlasse.«
    »Ja. Ungefähr so.«
    »Das geht doch nicht.«
    »Das brauchst du nicht zu sagen. Ich weiß.«
    Als das Schweigen sich erneut zu einer Bedrohung auszuwachsen drohte, stand er auf und küßte sie auf die Wange. Dann streifte er sein Schulterholster über und legte sich die Jacke über die Schulter, bis er unten in der Haustür stand.
    Auf dem Nachhauseweg begann er zu überlegen, wie er das Bild von sich und Tessie in Expressen erklären sollte. Es konnte Eva-Britt kaum entgangen sein. Er kam zu dem Schluß, daß es bis auf weiteres kein Problem war. Er würde einfach sagen, Tessie sei eine Amerikanerin namens Tessie. Vielleicht würde er noch andeuten, daß sie bei der NATO oder einer ähnlichen Organisation arbeitete.
    Das war kein Problem. Eva-Britt vertraute ihm blind. Sie liebte ihn, bewunderte ihn vielleicht sogar und vertraute ihm vollkommen.
    Er hatte die Hände tief in den Jackentaschen vergraben, als er weiterging. Ganz gegen seine Gewohnheit sah er sich nicht um. Es kam ihm gleichgültig vor, ob jemand ihn verfolgte oder sogar in den Rücken schoß. Im Augenblick waren ihm selbst solche Dinge vollkommen gleichgültig.
    Wenn so etwas geschah, würde es schließlich nur das sonst unlösbare Problem lösen.

10
    Carl stellte zu seiner großen Überraschung fest, daß er diesen Mann und alles, wofür er stand, einmal tatsächlich gehaßt hatte. Doch der Näslund von heute, der Näslund, dem er in diesem Augenblick begegnete, hatte nur noch den Stahlkamm und die Schuppen auf den Schultern mit Carls früherem Chef gemeinsam.
    Eine Sekretärin erschien mit Kaffee in Plastikbechern und mit blauen Papierservietten auf den Untertassen sowie kleinen Keksen; der Abteilungsleiter der Sicherheitsabteilung bei der Reichspolizeiführung war in der staatlichen Hierarchie etwa so hochgestellt wie ein Sektionschef. Das berechtigte noch nicht zu echtem Porzellan.
    Es war der Atmosphäre gleich anzumerken, daß seit der letzten Begegnung viel Zeit verstrichen war.
    »Ja, Teufel auch, Calle«, sagte Näslund und lehnte sich im Stuhl zurück. Er sah aus dem Fenster und fuhr sich mit dem Stahlkamm ein paar Mal nachdenklich durchs Haar.
    »Ja, es ist verteufelt viel passiert, seitdem wir uns beide das Leben hier in der Firma schwer machten. Ich habe zwischendurch immer mal wieder daran gedacht, ich habe mir gedacht, du wärst ein verdammt guter Sicherheitsmann geworden.«
    »O nein«, lachte Carl, »dann wären bessere Chefs nötig gewesen, um mich zuzureiten. Denk doch nur an deine

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