Guillou, Jan - Coq Rouge 05 - Der ehrenwerte Mörder
Garage der Zeitung im Sinne des Grundgesetzes als Redaktionsraum galt, ob dort Hausdurchsuchungen und Beschlagnahmen stattfinden könnten, ohne daß es mit der Pressefreiheitsverordnung kollidierte. Er beschloß, den Wagen einfach vor dem Haupteingang stehen zu lassen, dann konnten die Hausmeister sich ruhig nach Herzenslust beschweren. Er mußte sich auf dem schnellsten Weg in Sicherheit bringen.
Er rannte schwer und keuchend die Treppen hinauf, statt den Fahrstuhl zu nehmen. In der Redaktion schien alles normal zu sein. Die Leute arbeiteten oder tranken Kaffee, als ob nichts Besonderes passiert wäre. Einige sahen sich CNN an. Schon bald würden sie Zeitungsgeschichte miterleben.
Er schloß die Tür hinter sich, als er sein Zimmer betrat, und legte den Dokumentenstapel auf den Schreibtisch. Es hatte den Anschein, als wollte er genau diesen Augenblick auskosten, die Sekunden, bevor er zu lesen begann.
Dann schlug er die erste Seite auf. Es war ein kleines Journal, aus dem hervorging, welche Personen in den letzten zwei Jahren zu der Akte Zugang gehabt hatten. Es gab nur ein Datum, das er kontrollieren konnte. Aber es stimmte, es war genau der Tag, an dem Näslund die Mappe in seinem Büro gehabt hatte. Was ja auch durch dieses Telefonat mit Hamilton bestätigt wurde.
Dann begann Wennström zu lesen. Nach kurzer Zeit bezweifelte er plötzlich, daß Expressen es wagen würde, diese Dinge zu publizieren, wie sehr sie auch erwiesen sein mochten.
Doch, es würde natürlich gehen. Natürlich nur, wenn man einige der Anschuldigungen abmilderte und auf das Bildmaterial verzichtete. Aber man konnte ja sagen, daß es das Bildmaterial gab.
Die morgige Ausgabe kam natürlich nicht dafür in Frage. Es würde einige Tage mit harten Diskussionen mit diesem oder jenem Vorgesetzten und einigen der Anwälte des Blattes geben. Und dann neue Checks, doppelte Checks.
Doch es würde gehen. Und es würde Zeitungsgeschichte von Weltformat werden. Aber möglicherweise nur, wenn man die schlimmsten Dinge herausnahm. Oder vielleicht doch nicht?
Eva-Britt bewegte sich etwas schwerfällig. Ihre Beine waren in letzter Zeit angeschwollen. Sie hatte ein hellgrünes Kostüm mit einer langen Jacke an, so daß es eine Kombination aus Kostüm und Umstandskleid wurde.
Sie erschienen Arm in Arm beim Amtsgericht. Er hatte sie gefahren. Sie hatten das Glück, gleich einen Parkplatz zu finden, und mit all den Fünf-Kronen-Münzen bezahlt, die sie in ihren Taschen fanden. Dann steuerten sie direkt auf die Horde der Pressefotografen los.
Im Saal erwartete sie der Anwalt, der sie fast übertrieben herzlich und lang anhaltend in Empfang nahm, als sollten die Fotografen mehr Zeit bekommen, alle drei aufs Bild zu bannen.
Kurz darauf konnten sie in einen Zeugenraum flüchten und die Tür hinter sich schließen. Doch kaum hatten sie sich gesetzt, wurde der Fall aufgerufen. Vor dem Gerichtssaal gab es einen Tumult, da dreimal so viele Zuschauer erschienen waren, wie Platz finden konnten, obwohl das Amtsgericht in weiser Voraussicht den größten Gerichtssaal gewählt hatte; Überdies wurden überhaupt nur wenige Zuschauer eingelassen, da die Vertreter der Massenmedien den Vortritt hatten.
Der Staatsanwalt sah erschrocken aus, als er das Gedränge im Saal wahrnahm. Die Mitglieder des Gerichts gaben sich die äußerste Mühe, um zu zeigen, daß dies nur ein kleiner, einfacher und trivialer Fall war. Sie unterhielten sich leise miteinander.
Die einleitenden Formalien brachten die Anwesenden zur Ruhe. Zunächst sollte festgestellt werden, daß Eva-Britt Eva-Britt war, was sie ohne jeden Vorbehalt zugab.
Dann konnte man anfangen. Der Staatsanwalt, der den Sachverhalt schildern sollte, hatte nicht viel zu sagen. Die tatsächlichen Umstände des Falls seien seiner Auffassung nach nicht umstritten. Es bleibe noch die Frage, wie man die Gewalt beurteilen solle, die Polizeiassistentin, Verzeihung, Inspektorin Eva-Britt Jönsson bei besagter Gelegenheit ausgeübt hatte. Ob es also sich um einen qualifizierten Fall von Körperverletzung handle, schwere Körperverletzung, oder ob es eine andere Interpretationsmöglichkeit gebe. Dies werde aus der Vernehmung der Parteien hervorgehen.
Anschließend sollte der Nebenkläger gehört werden. Dieser war zwar ein notorischer Alkoholiker mit einem aufgedunsenen Gesicht, hatte zwei Pflaster auf der Stirn und war offenbar geschminkt. Er war jedoch gut gekleidet, trug einen neuen Anzug mit Weste.
»Kannst du einleitend mit
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