Guillou, Jan - Coq Rouge 05 - Der ehrenwerte Mörder
sagen, so viel Spaß habe ich nicht mehr gehabt, seit Vater mit der Sau zum Nachbarn ging, um sie decken zu lassen«, lächelte der Anwalt, als sie endlich die Tür schließen und sich damit vor den Kamerablitzen schützen konnten.
»Wie wird es ausgehen?« fragte Eva-Britt mit besorgt aufgerissenen Augen.
»Wie es ausgeht? Oh, das werde ich dir sagen. Leichte Körperverletzung, da du gestanden hast, und dann noch zwanzig Tagessätze. Ihr hättet hier gar keinen Anwalt gebraucht, wenn ich vollkommen ehrlich sein soll, und das soll ein Anwalt ja bekanntlich. Der Mann hat doch alles selbst erledigt. Habt ihr seine Pflaster gesehen?«
»Ja, und geschminkt war er auch!« lachte Eva-Britt.
Mehr konnten sie kaum sagen, da wurde der Fall erneut aufgerufen. Die Mitglieder des Gerichts hatten sich nicht einmal von ihren Stühlen erhoben.
»Das bedeutet, daß sie in vierzehn Tagen das Urteil verkünden werden«, flüsterte Eva-Britt erklärend zu Carl.
»Das glaube ich nicht. Wollen wir essen gehen, wenn das Urteil gleich verkündet wird?« fragte der Anwalt zu Carl gewandt.
»Ja, wenn wir hier rauskommen, wenn es leichte Körperverletzung wird«, flüsterte Carl, als er sich gerade setzen wollte.
Die Anwesenden hatten sich kaum gesetzt, da wurde schon das Urteil verkündet. Eva-Britt Jönsson, Polizeiinspektorin, wurde wegen leichter Körperverletzung zu zehn Tagessätzen verurteilt. Die schriftliche Urteilsbegründung konnte drei Tage später in der Kanzlei des Amtsgerichts abgeholt werden. Damit war die Verhandlung beendet.
11
Eggum war das Ende der Welt. Draußen lag das Eismeer, und die nächstgelegene Küste mußte in exakt westlicher Richtung Grönland sein. Bei Eggum hörte natürlich auch die Straße auf. Es gab dort einen kleinen Laden, und zusammen mit einigen kleinen Häusern war das alles. Das letzte Stück in Richtung Eggum war nicht asphaltiert, und auf dem schmalen Kiesweg voller Schlaglöcher hatten bei Gegenverkehr zwei Wagen nur mit Mühe Platz.
In Eggum würde es keinem Fremden gelingen, sich zu verstecken. Das Dorf lag am Fuß eines hohen Berges, der bis auf den kleinen Landvorsprung steil zum Meer hin abfiel. Irgend jemand hatte einmal beschlossen, sich ausgerechnet dort anzusiedeln, direkt am Eismeer, statt in einem der schützenden Fjorde Lofotens.
Die geographischen Gegebenheiten hatten ihnen mehr als vierundzwanzig Stunden Verspätung eingebracht. Roar Hestenes hatte zur Tarnung eine Sportfischerausrüstung dabei, die deutlich sichtbar aus der Heckscheibe seines Volvo herausragte, und brachte einen Tag am Strand von Eggum zu, um Seelachs zu fischen. Die Dorfbewohner waren an den Anblick verrückter Touristen gewöhnt und vermutlich nicht mißtrauisch.
Anschließend erkundete Roar Hestenes die Umgebung, und als sie sich dann in ihrem heruntergekommenen Hotel mit dem anspruchsvollen Namen »Polar« in Svolvaer trafen, fiel es ihnen nicht schwer zu planen, wie es weitergehen sollte.
Jetzt betrug der Abstand zum Ziel etwa eintausend Meter. Sie befanden sich auf der anderen Seite einer langgestreckten Bucht, vermutlich ein paar Dutzend Kilometer Landweg von einem der drei baufälligen roten Bootshäuser unten am Strand auf der anderen Seite entfernt, dem Ziel.
Ihr Wohnwagen hatte jetzt einige große Aufkleber, die sie als Expedition des Marinebiologischen Instituts in Malmö auswiesen. Der Wagen war fünfundzwanzig Meter von der Wasserlinie entfernt und voll sichtbar geparkt. Sie hatten etwa eine Stunde in ihren farbenfrohen hellblauen und roten Taucheranzügen mit großen gelben Preßluftflaschen auf dem Rücken getaucht. Am Strand hatten sie ein kleines Gestell mit Glasbehältern aufgebaut, in die sie etwas Tang, Sand und anderen Krimskrams legten.
Das Wasser war eiskalt. Sie beschlossen, künftig nur mit militärischer Ausrüstung zu tauchen, zumindest was die Taucheranzüge betraf.
Ursprünglich wollten sie draußen sitzen und dort ihren Fisch grillen, doch es wurde zu kalt, und so flüchteten sie in ihre Pantry. Während Åke Stålhandske mit Roar Hestenes’ Seelachsfilets rang, montierte Joar Lundwall das stabile Fernrohr auf einem Stativ. Unterdessen waren die beiden Norweger auf der anderen Seite des Fjords bei dem entferntesten Bootshaus angekommen.
Der Fisch brannte an, während die drei sich abwechselten, das Ziel durch das Fernrohr zu betrachten und die Taktik zu besprechen. Natürlich beschlossen sie zu warten, bis es dunkel wurde. In der Dunkelheit würde es ihnen gelingen,
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