Guillou, Jan - Coq Rouge 05 - Der ehrenwerte Mörder
entsetzlich sein, ewige Dunkelheit, Sturm und Kälte, feuchte Kälte.
Schade, daß sie nicht im Dezember hier sein konnten.
Expressen widmete seiner phantastischen Enthüllung ganze zehn Seiten. Der reichlich bemessene Raum war notwendig geworden, weil Fotos und Überschriften im Riesenformat gebracht wurden.
Aber die Summe des größten Knüllers der Pressegeschichte und des größten politischen Skandals seit dem Zweiten Weltkrieg in Schweden war konkret und leicht zu begreifen:
Die Justizministerin des Landes wurde verdächtigt, ein Liebesverhältnis zu einer KGB-Agentin zu unterhalten, die wie sie selbst aus dem Baltikum stammte.
Die Sicherheitspolizei war der höchst unpassenden Liebesaffäre auf die Spur gekommen und hatte dann anweisungsgemäß eine Untersuchung wegen Spionageverdachts eingeleitet.
Als die Regierung von dieser Untersuchung Kenntnis erhielt, hatte sie weitere gegen die Justizministerin gerichtete Ermittlungen oder Nachforschungen untersagt und den verantwortlichen operativen Chef, Henrik P. Näslund, überdies bestraft, indem sie ihn eines Verbrechens beschuldigte.
Obwohl er der Anweisung der Regierung gehorchte, den Skandal unter dem Deckel zu halten.
Um der Sicherheitspolizei total in die Parade zu fahren, hatte die Regierung ein Mordkommando des militärischen Nachrichtendienstes gegen einige von Näslunds Leuten entsandt.
Erst hinterher habe der verantwortliche Operateur des Mordkommandos, Carl Gustaf Gilbert Hamilton, den tatsächlichen Sachverhalt erkannt und Näslund gegenüber sein Bedauern geäußert und sich fast entschuldigt.
Dies war also der tatsächliche Hintergrund dafür, daß die Regierung Militärs eingesetzt und bei dem Angriff eine so auffällige Überkapazität gegen den Sicherheitsdienst des Landes angeordnet hatte. Im Archiv der Sicherheitspolizei befanden sich sogar Fotos der KGB-Agentin und kompromittierende Bilder der beiden Frauen (auf deren Veröffentlichung das Blatt bis auf weiteres aus Rücksichtnahme verzichtete, obwohl sie verfügbar waren).
Die Regierung schützte folglich ein Regierungsmitglied, das der Spionage verdächtigt wurde. Und zu diesem Zweck schreckte sie vor keiner Rücksichtslosigkeit zurück.
Und so weiter. Der Skandal zog sich am ersten Tag wie ein Erdbeben durch die Massenmedien.
Der Ministerpräsident weigerte sich wie gewohnt, die Sache zu kommentieren, was sofort dazu führte, daß jeder sein Schweigen als Bestätigung deutete.
Die von Expressen veröffentlichten Kommentare waren meist Äußerungen der üblichen Säpo-Chefs der mittleren Führungsebene. Und als sie nach Dingen gefragt wurden, von denen sie keine Ahnung hatten, sagten sie ihrer Gewohnheit getreu nicht, daß sie keine Ahnung hatten. Statt dessen erklärten sie, die Einzelheiten dieses speziellen Falls seien ihnen nicht bekannt, aber das sei natürlich trotzdem eine Angelegenheit, die beim Sicherheitsdienst mit großer Besorgnis betrachtet werde.
Es erstaunte Carl nicht im mindesten, daß Samuel Ulfsson ihn plötzlich und sehr eilig sprechen wollte. Und wie er ebenfalls erwartet hatte, stand Sam das Haar zu Berge. Er hatte ein Exemplar von Expressen in der Hand, als Carl eintrat, leise die Tür hinter sich schloß und sich auf seinen Platz setzte, seinem Chef schräg gegenüber.
»Okay, schieß los«, lachte Carl leise.
»Du findest das wohl lustig!«
»Aufrichtig gesagt, ja.«
»Daß wir an einer Art cover-up beteiligt gewesen sein sollen, um eine gottverdammte lesbische Spionin in der Regierung zu schützen?«
»Das stimmt ja nicht.«
»Nein, möglicherweise. Aber was sollen die Leute denken?«
»Ich kann mir nichts anderes denken, als das Expressen einen bösen Reinfall erlebt«, entgegnete Carl zufrieden.
Samuel Ulfssons Blick wurde plötzlich sehr zweifelnd. Er sah Carl forschend an und stellte sich vermutlich im stillen einige Fragen.
»Wie erklärst du dieses Gespräch mit Näslund, das sie hier wiedergeben?« fragte Samuel Ulfsson schließlich sehr beherrscht.
»Das ist natürlich eine Fälschung. Ich habe neulich mit Näslund gesprochen und erkenne einige Formulierungen wieder. Aber dir muß doch klar sein, daß wir kaum über lesbische Ministerinnen und ähnliches gesprochen haben.«
»Habt ihr über eine A 1-Akte gesprochen?«
»Ja, durchaus möglich. Ich glaube, ich habe irgendwie einen Scherz darüber gemacht. Vielleicht ist er es auch gewesen. Wenn man sich aber dieses Band vornimmt, kann man es wahrscheinlich sehr leicht durch bestimmte
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