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Guillou, Jan - Coq Rouge 05 - Der ehrenwerte Mörder

Guillou, Jan - Coq Rouge 05 - Der ehrenwerte Mörder

Titel: Guillou, Jan - Coq Rouge 05 - Der ehrenwerte Mörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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Polizeiassistentin Jönsson zum Inbegriff des guten, anständigen und vollkommen normalen Menschen geworden war, deren Nähe er mehr um seiner selbst willen als ihretwegen suchte.
    Jetzt schwieg Tessie, als gäbe es nicht mehr sehr viel zu sagen.
    »Nein, so kann das nicht weitergehen«, sagte er kurz und erhob sich. Er ging zum Eckfenster, machte die große Stehlampe und ein paar Wandleuchten über den Bildern im Zimmer an. Der Himmel über dem Schloß war dunkelrot, der Rest blau oder schwarz. Er lockerte die Krawatte ein wenig, goß den Rest des kalifornischen Weins ein und stellte die Flasche mit der Öffnung nach unten in den Kühler, dessen Eisstücke inzwischen geschmolzen waren.
    »Zieh das Jackett aus, du siehst damit so förmlich aus«, sagte sie ohne jeden erkennbaren Hintergedanken.
    Er gehorchte reflexmäßig, aber als er einen Ärmel abgestreift hatte, fiel es ihm wieder ein: das Schulterholster. Er ging in den Vorraum und hängte das Jackett dort auf. Dann schnallte er schnell die Waffe ab und hängte sie in einen Ärmel.
    »Skål«, sagte er, als er ein wenig verlegen wieder in seinem Sessel saß, »so heißt das in Schweden.«
    »Ich weiß«, sagte sie mit einem schwachen Lächeln und hob ihr Glas.
    »Ja, du mußt einiges über Schweden wissen«, fuhr er fort, als er die Möglichkeit sah, ein ungefährliches Gesprächsthema anzuschneiden. »Beispielsweise, wie man jemanden beim Nachrichtendienst anruft, den man nicht anrufen kann. Wie hast du es angestellt?«
    »Das war einfach«, lachte sie, »ich nehme an, genauso einfach, wie es in den USA gewesen wäre. Ich brauchte nur unten in der Rezeption anzurufen und darum zu bitten, daß sie den militärischen Nachrichtendienst anrufen. Die Frau am Empfang sagte, der sei im Telefonbuch nicht verzeichnet. Dann bat ich, die Nummer des Oberbefehlshabers zu bekommen, und als ich dann dort anrief, bat ich, mit dem Chef des militärischen Nachrichtendienstes verbunden zu werden und wurde zu jemandem durchgestellt, der Samuel soundso hieß. Den Rest kannst du dir denken. Ich sagte, wer ich bin, und daß du mich sicher anrufen würdest, wenn du nur wüßtest, daß ich in Schweden bin. Ein paar Stunden später hast du an die Tür geklopft.«
    Carl lachte laut auf. Natürlich, so ging es. Ob nun die Nummer des Oberbefehlshabers oder des Generalstabs oder auch nur der Militärhochschule, alles würde genau gleich funktionieren, wenn man Sam erreichen wollte.
    Als er zu Ende gegluckst hatte, überrumpelte sie ihn.
    »Hier und jetzt, habe ich damals gesagt, erinnerst du dich? Wärest du bereit gewesen, wenn es damals dieses Staatsgeheimnis nicht gegeben hätte?«
    Carl schluckte und leckte sich die Lippen. So wie sich das Gespräch damals gestaltet hatte, an das sie sich offenbar genausogut erinnerte wie er selbst, gab es keine Unklarheit und keine Möglichkeit zu lügen, nicht einmal mit seiner Geschicklichkeit.
    »Ja«, sagte er, als hätte er einen Kloß im Hals, und räusperte sich gleichzeitig, »ja, ohne jedes Zögern und für alle Zeit und Ewigkeit. Aber du hast es ja dann zurückgenommen und deinen Verpflichtungen die Schuld gegeben, was immer es war.«
    »Ja, aber das war erst, als du dich herausgewunden hattest. So nahe waren wir also daran, nur ein einziges gottverdammtes geheimes Unternehmen aus einem anderen Leben.«
    Sie hatte die absolute Wahrheit gesagt. Sie waren so nahe daran gewesen. Jetzt mußte er dieses Andere äußern oder eine Vase auf dem Fußboden zertrümmern oder beides. Er füllte ihre Gläser mit Champagner auf.
    »Da ist etwas, was ich dir sagen muß«, begann er in einem Tonfall, der offenbar leicht zu durchschauen war.
    »Daß du verheiratet bist und Kinder hast«, unterbrach sie ihn.
    »Ja, ungefähr. Hast du das gewußt?«
    »Ja, daß du mit einer Polizistin verheiratet bist. Aber das ihr Kinder habt, habe ich nicht gewußt. Es steht nämlich immer noch eine Menge über dich in der amerikanischen Presse.«
    »Wir haben keine Kinder, aber sie ist im sechsten Monat.«
    Sie sagte nichts, als wollte sie die Antworten auf die Fragen nicht hören, die sie um jeden Preis stellen wollte. Sie saß vollkommen still da, sah in ihr Champagnerglas und bewegte den Zeigefinger kreisförmig um den Rand, so daß ein singender Laut entstand.
    »Erinnerst du dich?« fragte sie leise.
    Er nickte. Natürlich erinnerte er sich. Er erinnerte sich an alles, wie intensiv er sich auch einzureden versuchte, daß dies alles nicht existierte und nie existiert

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