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Guillou, Jan - Coq Rouge 05 - Der ehrenwerte Mörder

Guillou, Jan - Coq Rouge 05 - Der ehrenwerte Mörder

Titel: Guillou, Jan - Coq Rouge 05 - Der ehrenwerte Mörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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Freunde belegen und ihn ohne jeden Grund gefeuert. Mein Beruf ist zum Teil total pervers, doch bedauerlicherweise verstehe ich mich ganz gut darauf.«
    »Wie wird man so, Carl?«
    »Das ist eine sehr gute Frage. Etwa so wie damals, als du mich fragtest, was wichtiger sei als du und ich.«
    »Was für ein Gedächtnis du hast.«
    »Ja. Stimmt mit dem Tagebuch überein, was? Die Antwort ist, daß man tatsächlich an die Sache glaubt, ich habe es damals jedenfalls getan, tue es manchmal immer noch. Dann braucht man nur noch das Batman-Kostüm aus dem Schrank zu holen, rauszugehen und das Gesetz zu brechen. Natürlich alles im Interesse der Demokratie und der Nation, alles in dem Glauben, daß wir gerade jetzt vor einem absolut entscheidenden Moment stehen, und damit gelten keine Regeln mehr, aber morgen kehren wir zu den Buchstaben des Regelbuchs zurück.«
    »Du könntest ein guter kalifornischer Scheidungsanwalt werden.«
    »Da gibt es aber einen Unterschied. Die glauben an nichts anderes als an schäbige Tricks, weil sie Geld verdienen wollen. Ich mache mir bestimmte Vorstellungen von höheren Interessen.«
    »Wie edel von dir.«
    »Sei nicht blöd jetzt.«
    »Nein, das war keine Ironie, du warst so. Immer. Du bist natürlich immer noch so, wenn auch älter. Wie ich mir mein Leben vermasselt habe, ist schon schwerer zu erklären.«
    Der aggressive Tonfall war ihm recht, gab ihm ein größeres Gefühl von Sicherheit. Als sie sagte, sie habe ihr Leben vermasselt, schenkte er entschlossen noch etwas Wein nach. Da ihr Tonfall gleichzeitig auf ein neues Gleis wechselte und sich weicher und trauriger anhörte, verlor er den Faden und vergaß, seinen Panzer zu verstärken. Er konnte ihrem Blick nicht entgehen und konnte auch nicht umhin zu fragen, was sie meinte, und damit drehte sich das Gespräch um neunzig Grad und kam auf den Kurs, den er gefürchtet hatte.
    Es sei natürlich der Fehler ihres Lebens gewesen, Burt zu heiraten, sagte sie. Carl hatte nicht den geringsten Grund, daran zu zweifeln. Diese Heirat war ihm immer unbegreiflich erschienen.
    Sie war politisch radikal, für amerikanische Verhältnisse sogar sehr radikal. Sie kämpfte für die Rechte mexikanischer Einwanderer, ein hoffnungsloses Unterfangen in Kalifornien. Sie wollte ihr Leben und ihre juristischen Kenntnisse nur dem widmen, was er selbst mit seiner Terminologie von damals »dem Volk dienen« oder so etwas genannt hätte.
    Und dann war sie plötzlich mit einem golfspielenden weißen angelsächsischen protestantischen Manager der Kühlschrankbranche in Santa Barbara verheiratet. In einem weißverputzten Haus, vermutlich mit mexikanischer Arbeitskraft im Garten oder in der Küche oder im Hundezwinger, obwohl sie es geleugnet hatte, als sie sich damals sahen.
    »Sag mal, wie war das nun? Wie kann man solche Dummheiten machen?«
    Sie erzählte von ihrer Einsamkeit, nachdem sie Schluß gemacht hatten. Nachdem sie Schluß gemacht habe, da sie nicht an die Erklärungen für seine Abwesenheit geglaubt habe, korrigierte er. Sie hatte sich isoliert gefühlt, sagte sie, nicht einsam, aber isoliert. Solange Carl da gewesen war, war sie nie auf die Idee gekommen, nur in einem kleinen Kreis von Menschen zu leben, die in allen Dingen die gleiche Auffassung teilten. Aber dann fing sie an, sich nach einer anderen Welt zu sehnen, nach anderen, gewöhnlichen Menschen, die nicht ständig über Politik und Moral sprachen. Burt war zunächst, wie Carl jetzt aufging, als der perfekte Vertreter dieser anderen, gewöhnlichen, richtigen amerikanischen Welt erschienen, und sie hatte sich zu der Expedition verlocken lassen.
    »Schließlich«, fuhr sie fort, »habe ich mich so tief in einem fremden Land befunden, daß es mir unmöglich oder fast schändlich vorkam, einen Ausbruchsversuch zu wagen.« Und dann kam das Kind.
    Und ihr Vater war dabei, in Armut und Suff unterzugehen.
    Da an eine Abtreibung natürlich nicht zu denken war, hatte sie den einfachsten Ausweg gewählt, und das war der Fehler ihres Lebens.
    Carl war von ihrem Bericht tief erschüttert. Während sie erzählt hatte, war es draußen vor dem Fenster dunkel geworden. Das Glitzern in ihren Augen verschwand, und die Umrisse ihres Körpers verschmolzen mit denen des hellen üppigen Sessels.
    Es ließ sich nicht leugnen. Sie hatte eine ziemlich gute, um nicht zu sagen präzise Beschreibung seiner eigenen Expedition in das fremde Land gegeben, in dem ganz andere und normale Menschen lebten und in dem

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