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Guillou, Jan - Coq Rouge 05 - Der ehrenwerte Mörder

Guillou, Jan - Coq Rouge 05 - Der ehrenwerte Mörder

Titel: Guillou, Jan - Coq Rouge 05 - Der ehrenwerte Mörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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hatte.
    »Wie lange willst du in Schweden bleiben?« fragte er geschäftsmäßig.
    »Ich weiß nicht«, erwiderte sie und hielt den Blick starr aufs Champagnerglas gerichtet, »ich bin ausgewandert.«
    »Du bist was!«
    »Ausgewandert. Ich habe die USA verlassen. Das ist nicht mehr mein Land. Es ist nicht mein Land, das mich so behandelt. Ich habe dort keine Freunde, keine Verwandten, keinen Job, nur eine einmalige fette Abfindung.«
    »Was ist mit den Verwandten deiner Mutter in Mexiko? Immerhin sprichst du ein perfektes Spanisch?«
    »Betreiben eine Spielhölle in Tijuana. Das ist nicht direkt mein Fall. Für die USA bin ich zu mexikanisch und für Mexiko zu amerikanisch. Und in Irland bin ich nicht einmal zu Besuch gewesen. Aber erinnerst du dich an Lucy, die immerzu abnehmen wollte?«
    »Schwach, ja.«
    »Sie ist eine Art Direktionsassistentin bei IBM hier in Stockholm. Sie hat mir einige Zusagen gemacht.«
    »Worüber?«
    »Über einen Job in ihrer Auslands-Rechtsabteilung. Solange ich kein Schwedisch kann, ist es kein besonders gutbezahlter Job. Aber die juristische Terminologie beherrsche ich auf englisch, spanisch und französisch. Vielleicht kann mir das helfen. Ich habe morgen ein Vorstellungsgespräch.«
    Carl war der kalte Schweiß ausgebrochen. Er erstickte einen Impuls, plötzlich ans Fenster zu treten und es zu öffnen. Statt dessen trank er seinen letzten Champagner aus. Er schmeckte lauwarm und erinnerte ihn an die Zeit in Moskau.
    »Das sind ja keine kleinen Neuigkeiten«, sagte er schließlich in einem so beherrschten Tonfall, daß es ihn selbst überraschte, »aber du kannst nicht einfach in mein Leben hineinspazieren, da es nicht mehr mir allein gehört. Wo willst du übrigens wohnen, doch nicht hier im Grand Hotel, nehme ich an?«
    »Nein, aber so was wird sich ja irgendwie regeln lassen. Ich habe keine hohen Ansprüche, und außerdem habe ich mir gedacht, daß du mir vielleicht dabei helfen kannst.«
    »Ich? Soll ich dir eine Wohnung besorgen?«
    »Ja. Du hast ja eine Immobilienfirma.«
    »Woher weißt du das? Ach ja, die amerikanische Presse. Ja, es stimmt, aber freie Wohnungen wachsen nicht auf Bäumen. Wir haben hier in Schweden ein unerhört kompliziertes und unerhört demokratisches System und kilometerlange Listen von Leuten, die auf eine Wohnung warten. Außerdem bin ich wahrscheinlich einer der Vermieter in Stockholm, die von der Öffentlichkeit am mißtrauischsten beäugt werden, und…«
    »Du brauchst es nicht zu tun, wenn du nicht willst. Ich will dir natürlich keine Unannehmlichkeiten machen. Und ich kann wieder aus deinem Leben hinausspazieren, so wie du es damals in San Diego bei mir getan hast.«
    »Das war sicher ein gemeinsamer Fehler.«
    »Ja. Ein Fehler.«
    Er spürte, daß er flüchten mußte, auf der Stelle. Er erhob sich ohne einen Laut, ging in den kleinen Vorraum, schnallte sich die Waffe um, zog das Jackett an, legte den Mantel über den Arm, steckte den Kopf durch die Tür und winkte ihr zu.
    »Wenn du den Job bekommst, besorge ich dir eine Wohnung. Ich rufe dich morgen an. Danke fürs Essen«, sagte er, ging schnell hinaus und ließ die Tür leise hinter sich zugleiten.
    Er lehnte sich einige Augenblicke gegen die Tür, schloß die Augen und biß die Zähne zusammen, als wollte er einen starken körperlichen Schmerz unterdrücken. Dann gab er sich einen Ruck und ging auf dem Korridor in die Richtung, die zum Hintereingang des Grand Hotels führte, zum Eingang des Royal.
    Er machte einen Spaziergang nach Hause. Er ging in einem fast wütenden Tempo, so daß er unnötige Aufmerksamkeit erregte. Späte Spaziergänger hielten verblüfft in ihrer Unterhaltung inne und blieben stehen, als sie entdeckten, wer ihnen entgegenging oder besser entgegenlief, als hätte er sehr wichtige Dinge in den geheimen Diensten des Reiches zu erledigen.
    Als er nach Hause kam, hatte sie sich schon schlafen gelegt.
    Sie hatte ein langes weiches Nachthemd aus dünnem Flanell mit aufgedruckten Glockenblumen an und war fast eingeschlafen.
    Sie drehte sich um und zog die Beine hoch, so daß sie in einer Art Embryonalstellung dalag. So konnte er sich auf der Seite hinter sie legen und ihr mit einer Hand vorsichtig den Bauch liebkosen und fühlen, wie sich das Kind dort drinnen bewegte.
    Er blieb noch lange so liegen, nachdem sie eingeschlafen war.
    Er schwitzte, wagte aber nicht, sich zu bewegen, als wäre es ein weiterer Verrat, auch nur die Stellung zu ändern. So blieb er hellwach liegen,

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