Guillou, Jan - Coq Rouge 05 - Der ehrenwerte Mörder
Wasser kocht.«
Er ließ vorsichtig ihren Bauch los, stand auf und ging in die Küche. Er goß Wasser über den Beutel mit Teeblättern, warf einen Blick auf die Uhr und ging langsam wieder ins Zimmer.
»Du mußt nämlich wissen«, sagte er, als er den Raum betreten hatte und in einen Sessel sank, statt vor ihr niederzuknien, »wir sind in dieser Mordermittlung gelandet.«
»Du meinst diesen General und seinen Kumpel in Uppsala, die Nazis? Aber das ist doch Sache der Polizei!«
»Könnte man meinen. Aber jetzt ist es so, daß unsere liebe Sicherheitspolizei die Verantwortung für die Ermittlungen übernommen hat, und da kannst du dir denken, wie es jetzt zugeht.«
»Nein«, entgegnete sie und legte ihre Handarbeit zur Seite, »das kann ich mir wirklich nicht vorstellen. Erklär’s mir.«
»Also, wenn die Säpo eine Mordermittlung durcheinander zu bringen beginnt, werden die richtigen Bullen darüber nicht sehr froh, gelinde gesagt, denn die Säpo hat eine Tendenz, nicht nur ständig politische Flüchtlinge zu jagen, sobald sie überhaupt etwas jagen soll, sondern sie haben auch die Angewohnheit, eine Menge Publizität um sich zu streuen, die der richtigen Polizei die Arbeit unmöglich macht.«
»Mhm, soweit kann ich folgen. Es kann keinen Spaß machen, Mordermittler bei der Reichskripo zu sein, wenn man täglich in der Abendpresse Rezensionen lesen kann.«
»Wahrhaftig nicht. Du bist ja Polizistin, kannst du mir erklären, warum sie das tun?«
»Was tun?«
»Warum sie ihre Fahndungsansätze veröffentlichen. Das sieht ja fast nach bewußter Sabotage aus, so wie damals, als dieser durchgedrehte Polizeipräsident den Palme-Mörder jagen sollte, du weißt. Das war ja bewußte Sabotage, aber machen sie jetzt ein System daraus, und, wenn ja, warum?«
»Zu solchen Mitteln greifen sie doch nur, wenn sie unsicher sind. Hast du noch nicht an all die Mörder gedacht, die gefaßt werden, ohne daß es vorher viel Publizität gibt, sondern erst hinterher? Die meisten Mörder in Schweden werden schließlich geschnappt.«
»Mhm. Ist das eine bewußte Taktik? Wollen Sie beim Feind Verwirrung stiften und falsche Fährten legen, damit der wirkliche Mörder sich sicher fühlen kann oder so? Warte, ich hole den Tee.«
Er ging in die Küche, hob den Teebeutel heraus und goß etwas kaltes Wasser in die Teekanne. Er servierte zerstreut und gab ihr erst etwas Milch und sich selbst Zitrone. Sie erweckte den Eindruck, als grübelte sie über etwas nach. Er flüchtete zum Plattenspieler und legte ein frühes Streichquartett von Mozart auf. Es lag griffbereit da. Sie hatte es sich im Lauf des Abends offenbar schon angehört.
»Nein«, sagte sie nachdenklich, »das wäre zu dumm. Die meinen es ernst. Immerhin haben sie heute abend ja bei einigen dieser Kanaken eine Hausdurchsuchung gemacht. Man kann nicht zu solchen Zwangsmitteln greifen, wenn es keinen begründeten Verdacht gibt. Wenn es um Festnahmen und Hausdurchsuchungen geht, muß man ja erst mal einen Staatsanwalt überzeugt haben.«
»Was?« Er verstummte für einige Augenblicke, bevor er weitersprechen konnte. »Hat man heute abend Verdächtige festgenommen?«
»Ja. Wie ich sehe, siehst du im Büro nicht fern. Es hat einen ziemlichen Aufstand gegeben.«
»Was für Personen sind festgenommen worden?«
»Man hat sie zum Verhör geholt, nicht festgenommen. Ja, es dürften meist Kurden sein, hier in der Stadt und in Uppsala.«
»Hat man sie später am Abend freigelassen?«
»Ja, tatsächlich. Wie konntest du das wissen?«
»Weil sie keine Generäle ermordet haben. Ich kenne diese Theorie, die die Säpo aufgebaut hat. Sie ist vollkommen unhaltbar. Warum greifen sie Personen, die sie nicht mal selbst für schuldig halten? Ist das nicht übrigens eine Amtspflichtverletzung?«
»Nein, es ist ein grobes Dienstvergehen. Wenn es stimmt. A- ber was habt ihr mit der Sache zu tun?«
»Wir glauben, daß die Morde mit kriminellen Vorfällen zu tun haben, die lange zurückliegen. Es muß um Verrat oder Spionage oder so was gegangen sein, und zwar in der Zeit des Krieges. Und da die Säpo diese Sache nicht aufklären wird, möchten wir trotzdem gern wissen, worum zum Henker es geht. Es sind sozusagen unsere Verluste, und insofern geht es uns etwas an.«
»Aha. Und wie gehen die Ermittler beim Generalstab bei ihrer Polizeiarbeit vor? Das würde ich gern wissen.«
»Mhm, kann ich mir vorstellen. Wir beginnen damit, daß wir die gesamte militärische Geschichte der Opfer erkunden,
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