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Guillou, Jan - Coq Rouge 05 - Der ehrenwerte Mörder

Guillou, Jan - Coq Rouge 05 - Der ehrenwerte Mörder

Titel: Guillou, Jan - Coq Rouge 05 - Der ehrenwerte Mörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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das denn?« fragte Åke Stålhandske mit zusammengebissenen Zähnen.
    »So eine Art verfluchter Erlaß, welche Flüchtlinge ins Land gelassen werden durften und welche nicht. Stellt euch vor, Unwohlsein infolge deutscher Judengesetzgebung. Ja, ihr braucht nicht zu fragen, ich weiß natürlich, was ihr wissen wollt. Aber ich habe etwa so gedacht: Es ist ja tatsächlich eins unserer wenigen ganz konkreten und neueren Indizien, an die wir uns halten können, daß dieser Klintén mit israelischer Militärmunition erschossen wurde.«
    »Es ist ausgeschlossen, daß der Staat Israel solche Rachefeldzüge in Europa durchführt oder auch nur sanktioniert. Wenn auch aus keinem anderen Grund, als daß sie dann verdammt viel zu tun hätten«, wandte Carl trocken ein.
    »Aber ja«, fuhr Joar Lundwall fort, »das glaube ich auch. Natürlich nicht der Staat Israel, aber irgendeine Person im heutigen Israel mit mehr oder weniger persönlichen Erinnerungen an Schweden oder verwandtschaftlichen Verbindungen. Jemand, der solche Munition bei sich zu Hause hat, und das dürften die meisten Israelis haben. Wie auch immer: Ich habe mich mit Juden bei uns beschäftigt, und das ist eine wenig erhebende Lektüre. Wir können vermuten, daß Schweden zur Ermordung von zehntausend bis zwanzigtausend Juden beigetragen hat - zurückhaltend geschätzt. Und allein was Norwegen betrifft, von dem du gesprochen hast, Åke, haben wir sämtliche Gesuche im Reichsarchiv unter der Bezeichnung HP 21. Es geht um norwegische Juden, die sich unter der deutschen Besatzung sozusagen immer unwohler fühlen. Einer nach dem anderen sucht um eine schwedische Einreisegenehmigung nach, aber dazu müssen sie beweisen, daß sie irgendwelche Verbindungen mit Schweden haben. Und das versuchen sie auch, angefangen mit der Behauptung, sie hätten schwedische Verwandte, und nur unglückliche Umstände hätten es verhindert, daß sie hier nicht aufgewachsen seien. Folglich seien sie im Grunde als Schweden zu betrachten. Einige behaupten sogar, in der Gemeinde Caroli in Malmö geboren und folglich von Anfang an Schweden zu sein. Denn wie schon gesagt, der bloße Hinweis auf Unbehagen, nur weil man Jude unter deutscher Besatzung sei, genügt nicht. Und während die schwedischen Bürokraten die Anträge prüfen und unter die Lupe nehmen, füllt sich in Norwegen langsam, aber sicher ein Schiff nach dem anderen und fährt nach Deutschland. Einige Juden, die am Ende die Einreisegenehmigung erhalten hatten, waren beispielsweise auf der M/S Donau mit unbekanntem Bestimmungsort nach Deutschland gefahren. Dann beginnt ein Schriftwechsel, um diese Leute zurückzubekommen oder zumindest in Erfahrung zu bringen, wo sie geblieben sind. Die deutschen Behörden antworten aber nur, daß ›die Brief und Postbeförderung an den Orten, an denen sich die genannten Personen jüdischer Herkunft jetzt befinden, besonders unregelmäßig sein dürfte‹. Das kann man sich vorstellen. Sie landeten nämlich in Vernichtungslagern.«
    Das Zimmer wirkte plötzlich kalt und dunkel. Joar erhob sich und experimentierte eine Zeitlang mit seiner provisorischen Beleuchtung. Eine der IKEA-Lampen funktionierte nicht, da eine Glühbirne fehlte. Anschließend sank er wieder schwer auf seinen Platz.
    »Ich glaube«, begann Carl langsam, da er erneut das Gefühl hatte, seinen unausgesprochenen Vorsitz übernehmen zu müssen, »ich glaube, wir müssen uns irgendwie entscheiden. Wenn wir ausführlich in der schändlichen schwedischen Geschichte herumwühlen, ertrinken wir. Ich selbst bin 1954 geboren, ihr 1959 beziehungsweise 1960. Und das hier, was für eine oder zwei Generationen vor uns lebendige Erinnerungen sind, ist für uns nur Geschichte, wenn auch unfaßbare. Es ist natürlich nützlich, etwas für seine Allgemeinbildung zu tun, aber wir müssen uns für eine Methode entscheiden. Wir sollten nach etwas Besonderem suchen.«
    Er machte eine Pause und goß sich noch etwas Bourbon ein, aber nicht, weil er noch mehr trinken wollte, denn er spürte schon die Wirkung des bisherigen Quantums, sondern vor allem, weil er nachdenken mußte, bevor er fortfuhr.
    »Wir müssen von den Personen selbst ausgehen«, fuhr er fort, als seine Gedanken die Pause eingeholt hatten, »und das bedeutet zweierlei. Wir suchen erstens nach einer persönlichen oder organisatorischen Verbindung zwischen einem Marine und einem Armeeoffizier, die zwischen 1939 und 1945 in unserem Alter waren. Damals hat einer von ihnen oder haben beide

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