gute freunde - boese freunde
Experten aus verschiedenen Fachbereichen man fragt, erhält man eine eher psychologische Erklärung, eine soziologische oder auch pädagogische. Hier ist ein Mix aus den – aus meiner Sicht – plausibelsten.
Es gibt »tiefere« Ursachen, die in der bisherigen Entwicklung des (der) Jugendlichen wurzeln. So spielen offenbar mangelnde » |109| Nestwärme« und teilnahmslose Eltern (oder auch das Gegenteil: überbehütende Eltern) eine Rolle. Diese Eltern nehmen kaum oder viel zu viel Anteil am Leben des Kindes. Daneben sind – wie in manchen anderen Bereichen von Gewalt bei Jugendlichen – eine machtbetonte Erziehung und das Erlebnis häuslicher, familiärer Gewalt wichtig, will man die Ursachen bei TäterInnen ergründen. All dies kann münden in eigenen Ängsten und einem Minderwertigkeitsgefühl.
Oft diskutiert wird auch der Einfluss der Medien, denen zwar keine direkte Schuld zu geben ist – aber vielleicht ist die These schlüssig, dass durch oft konsequenzlose Gewaltdarstellungen die Fähigkeit zum Mitleid gesenkt wird. Und – für diese Altersgruppe in vielen Bereichen wichtig – auch der Einfluss der Freunde (»Peer-Group« genannt) ist bedeutsam. Herrscht hier ein Klima von Gewalt, Mitleidslosigkeit, herrscht hier eine aggressive Jugendkultur, so kann dies eine Rolle spielen.
Neben den »tieferen« Ursachen spielen »oberflächliche« eine Rolle, wie die Tatsache, dass Mobbing ein Entlastungsventil für die eigenen Aggressionen sein kann. Und wer mobbt, holt sich die Anerkennung in der Gruppe, dazu gehört ein falsches Gemeinschaftsgefühl (»Alle gegen einen«, »Gemeinsam sind wir stark«). Auch falsche Vorbilder können richtungsweisend sein, so der Missbrauch von Macht, der bei anderen (Lehrern und Eltern, Politikern und Sportlern) als erfolgreich beobachtet wurde. Schließlich und endlich kann es auch schiere Langeweile sein, die TäterInnen zu ihren Taten treibt. Anders gesagt: Mobbing kann viele Ursachen haben. Dabei unterscheiden sich Mobbing und Cyber-Mobbing nicht.
Spricht man mit »Bullies«, so erhält man oft die Antwort: »War doch nur Spaß und gar nicht so (ernst) gemeint!«, oder aber |110| auch: »Kein Wunder, gucken Sie doch mal, wie die aussieht, rumläuft, sich benimmt!«. Das Anderssein des Opfers wird als Argument, als Entschuldigung benutzt. Dabei ist die Erkenntnis wichtig, dass Mobbing jeden treffen kann. Das Anderssein ist manchmal Auslöser, aber keine Ursache.
Die Täter
Mark (15) ist eine Leseratte. In seinem Profil im ICQ ist davon nichts zu lesen, auch seine Angaben auf Lokalisten verraten nichts. Das tut er wohlweislich, weil er sich in der Klasse schon oft dumme Bemerkungen darüber anhören musste. Aus Angst vor Cyber-Mobbing verleugnet er sich selbst.
Will man diesen Gedanken weiterverfolgen, lohnt es sich, die TäterInnen genauer anzuschauen, denn auch hier gibt es eine Typologie (erstellt nach dem Mobbing-Wiki und Dr. Dutschmann). Das sind bestimmte Muster, die auch beim herkömmlichen Mobbing zu finden sind. Eines haben alle gemeinsam: Sie sind geprägt von dem Grundproblem fehlenden Mitgefühls (»Empathiefähigkeit«):
Machtmobber. Es handelt sich häufig um Personen, die auf Kosten des Opfers einen Machtgewinn erzielen möchten. Typisch sind das Ausbooten, ständiges unsachliches Kritisieren, Abwerten der Leistungen des Opfers, Nicht-zur-Kenntnis-Nehmen der Leistungen etc.
Neidmobber. Das Opfer wird attackiert, weil es Eigenschaften hat, die man selber gerne hätte: Titel, Erfolge, Prominenz, Popularität, bessere Fachkenntnisse etc. Häufig kommt es zudem zur Abwertung der Person des Opfers, Rufmord. Ein typisches Beispiel dafür liefert mein Beispiel von Denise, die |111| ihre erfolgreiche Klassenkameradin mobbte oder auch von Gerrit, der sich über die sportlichen Leistungen des anderen Jungen ärgerte.
Angstmobber. Das Opfer erinnert die TäterInnen an eigene Unzulänglichkeiten, bedroht ihr Selbstwertgefühl. Durch Rufmord und gezieltes Intrigieren wird es zum Sündenbock.
Lustmobber. Diesen macht es einfach Spaß, andere zu schikanieren, zu intrigieren und für Aufregung zu sorgen. Typisch ist das Ausstreuen vager Gerüchte und Unterstellungen.
Hühnerhofmobber. Gruppen neigen zur Aufstellung von Hackordnungen. Das ist bei Hühnern nicht anders als beim Menschen: direktes Attackieren, Beschimpfen, Erniedrigen. Es wird kein Hehl daraus gemacht, dass man andere schikaniert.
Herdenmobber. In der Gruppe fühlt man sich geborgen und stark.
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