Gute liegt so nah...
von Angst und Optimismus diskutierten wir Bostons Mannschaftsaufstellung (überragend), ihre Spielstärke (beeindruckend) sowie ihre Chancen auf den Sieg der World Series (ausgezeichnet). Und dann endlich stellte Mom die Frage, auf die ich schon die ganze Zeit gewartet hatte …
„Und, Millie? Was macht die Arbeit?“
Na schön, das war nicht die Frage, auf die ich gewartet hatte, aber da niemand diese Frage stellte („Triffst du dich mit jemandem, Millie?“), würde ich das Thema Arbeit dazu benutzen, um mein bevorstehendes Date zu erwähnen.
„Die Arbeit macht Spaß“, sagte ich.
„Irgendwelche interessanten Vorkommnisse?“, wollte Sam wissen, wofür ich ihm im Stillen dankte.
„Ehrlich gesagt, ja. Vor ein paar Tagen habe ich einen sehr netten Mann kennengelernt. Ein Meeresbiologe, der Königskrabben erforscht. Er hatte sich geschnitten und musste genäht werden.“
„Ein Meeresbiologe?“, hakte mein Dad misstrauisch nach – er hätte lieber einen Maurer oder Klempner für seine Töchter gehabt. Am besten natürlich einen Polizisten. Menschen mit zu viel Bildung hielt er für verdächtig, mit Ausnahme seiner jüngsten Tochter, selbstverständlich.
„Ja. Wir gehen morgen Abend zusammen weg.“
Dieses Geständnis wurde mit Schweigen quittiert. Mom legte ihre Gabel hin, offenbar perplex. Auch Sam sah mich verblüfft an, ebenso Dad, nur dass sich seine Miene zusätzlich verfinsterte. Die Stille wurde nur unterbrochen durch das Geräusch von Dannys Gabel auf dem Teller, während er sich in gewohnter Manier das Essen in den Mund schaufelte. „Wo geht ihr denn hin?“, fragte er, nachdem er einen riesigen Bissen hinuntergeschlungen hatte. Offenbar war er der Einzige am Tisch, der über die Tatsache, dass ich ein Date hatte, nicht vollkommen erstaunt war.
„Ins Barnacle“, antwortete ich und löffelte meinem Neffen noch mehr Kartoffelbrei auf seinen jetzt leeren Teller. Zu ihrer Verteidigung muss ich zugeben, dass meine Familie Grund hatte, verblüfft zu sein, denn ich bin hier auf Cape Cod nie mit einem Mann ausgegangen. Mein Date war also tatsächlich ein beispielloses Ereignis.
„Oh, das ist schön!“, meinte Mom schließlich, weil sie irgendetwas sagen musste. „Wie heißt er denn?“
„Lorenzo Bellefiore“, erklärte ich.
„Was ist das denn für ein Name?“, sagte Dad, Messer und Gabel in seinen großen Fäusten.
„Er klingt italienisch, aber ich weiß es nicht genau“, gestand ich.
„Na, was weißt du denn überhaupt von diesem Kerl?“, fragte mein Dad grimmig. Offenbar saßen die einzigen Männer, für die ich etwas übrighaben durfte, hier an diesem Tisch.
„Ich weiß nur, dass er sich in die Hand geschnitten hat und mit neun Stichen genäht werden musste“, erwiderte ich süßlich und warf Sam ein Lächeln zu. Er lächelte zurück.
„Millie, du kannst nicht einfach mit einem Mann ausgehen, den du nicht kennst“, donnerte mein Vater.
Aus Angst, er könnte meine Chancen auf Mutterschaft und ihre auf weitere Enkel zunichtemachen, sprang meine Mom mir bei. „Bitte, Howard, Millie ist erwachsen und außerdem Ärztin.“
„Ich weiß, dass sie Ärztin ist!“ Dads Stimme wurde noch lauter. „Sie ist schließlich meine Tochter! Ich weiß, was sie macht!“
Sam wischte sich den Mund mit der Serviette ab, um sein Grinsen zu verbergen, und ich trat ihn unter dem Tisch. Solche Wortwechsel waren üblich in meiner Familie, und da ich nicht mehr bei meinen Eltern wohnte, fand ich sie inzwischen auch ganz amüsant.
„Sam“, appellierte mein Vater an den männlichen Verstand. „Könntest du den Kerl nicht mal unter die Lupe nehmen?“
„Das geht leider nicht“, antwortete Sam. „Es verstößt gegen die Vorschriften, beruflich Informationen über die Männerbekanntschaften der Schwägerin zu sammeln.“
„Es handelt sich nicht um Männerbekanntschaften“, protestierte mein Dad, „nur um eine einzige Person! Lorenzo Soundso.“
„Tut mir leid, Howard“, meinte Sam und zwinkerte mir zu.
„Ach, dann kümmern wir uns eben selbst darum.“ Dad war sichtlich wütend darüber, dass ich sein Leben plötzlich so komplizierte. „Wir gehen morgen Abend alle im Barnacle essen.“
„Dad! Bist du verrückt geworden?“, schrie ich. „Mit Trish hast du so etwas nie gemacht!“
„Na, die war ja auch vernünftig genug, sich Sam auszusuchen“, donnerte mein Vater. Als ihm klar wurde, was er da gesagt hatte, verzog er das Gesicht. „Tut mir leid, mein Junge.“
„Ist schon
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