Gute Nacht Jakob
melancholischen Vogelhändler gekauft, in dem er wenigstens mit Schwanz und Schnabel unterkam. Im übrigen hatten wir meist nette Leute im Abteil, so daß ich ihn den größten Teil der Zeit herausholen konnte. Er benahm sich auch auffallend manierlich und zeigte die Ruhe eines weitgereisten jungen Mannes. Bei der Ankunft wurden wir von Ciglasch im zweispännigen Jagdwagen abgeholt. Ich bestand darauf, neben ihm auf dem Bock des Zweispänners zu sitzen, mit Jakob auf dem Knie. An Ciglasch war alles rot, das Haar, die Nase, die Haut und das Taschentuch. Jakob begrüßte ihn mit einem fröhlichen »Armleuchter!«, worüber sich Ciglasch die ganze Fahrt hindurch nicht beruhigen konnte: »Nein, so was Ulkiges, ein sprechender Vogel!« Es ging über Feldwege zwischen schon sehr hohem Getreide. Die dicken Kruppen der beiden Kutschpferde Lisi und Grete glänzten vor Schweiß. Die Peitsche knallte, der Wagen rollte sehr vornehm auf seinen Gummirädern, viele Leute am Weg blieben stehen und sahen uns nach. Es war alles sehr prächtig.
Jessika begrüßte mich mit der ganzen Würde einer jungen Schloßherrin und erklärte mir, sie hätte verschiedene große Keller unter dem Schloß entdeckt, durch die ich sie huckepack als Seeräuberbraut tragen dürfe. Josefa, deren Aussprache noch sehr undeutlich war, streckte mir sehr deutlich die Zunge heraus. Ich wimmelte beide ab und begann eine große Wiederentdeckungstour.
Ich war schon einmal auf dem Schloß gewesen und nahm jetzt sofort wieder Besitz davon. Vor allem wollte ich ja alles Jakob zeigen. Mit ihm auf der Schulter durchstreifte ich die grasüberwachsenen Wege des verwilderten Parks und schritt mutig und hocherhobenen Hauptes über die Brücke des Mühlgrabens, die zu betreten mir streng verboten war, weil sie kein Geländer hatte. Dann war ich schon drüben bei Manek, dem Gärtner. Er war ein ergrauter Junggeselle, roch immer etwas säuerlich und züchtete die größten Stachelbeeren, die ich je in meinem Leben gesehen und gegessen habe (ganz abgesehen von seinen Erdbeeren). Beide mußte Jakob versuchen. Mit den Stachelbeeren wußte er weniger anzufangen, er hackte hinein, der Saft spritzte ihm um die Ohren, und er ließ sie daraufhin ziemlich indigniert fallen. Erdbeeren dagegen liebte er. Er suchte sich die reifsten aus und schluckte sie Stück für Stück.
Am Abend kam dann Onkel Gustl aus dem Wald zurück. Jakob sprang ihm gleich auf die Schulter und führte sein ganzes Repertoire vor. Onkel Gustl war sehr beeindruckt und erklärte, wir wollten ihn gelegentlich mit auf die Kanzlei nehmen, da wolle er ihm noch verschiedenes für den nächsten Stammtisch beibringen. Tante Jenny protestierte, böser Ahnungen voll, wurde aber zum Schweigen gebracht.
Am nächsten Morgen war ich schon zeitig wieder auf. Es war ein Wochentag, und ich genoß in vollen Zügen das Privileg, den für das Publikum gesperrten Park allein zu besitzen. Jakob ließ ich laufen, und er vergnügte sich auf seine Weise im hohen Gras, indem er Blumen köpfte und Schmetterlinge fing, während ich mit dem Bau der ersten Burg aus heruntergebrochenen Zweigen begann. Ich errichtete sie auf einem kleinen Hügel, der ringsum freies Schußfeld hatte, so daß ich die Sioux-Indianer, falls sie sich durch die Prärie heranschleichen sollten, rechtzeitig entdecken konnte.
Nach einer Weile fiel mir Jakob wieder ein. Ich rief und erhielt keine Antwort. Schließlich fand ich ihn auf einem Seitenpfad mit einem eigenartigen Spiel beschäftigt. Er hatte eine Maulwurfsgrille entdeckt, ein sonderbares Insekt, ungefähr einen halben Finger lang, das vorne zwei richtige kleine dicke schräggestellte Grabepfötchen besaß. Jakob hatte es nicht umgebracht, sondern schleppte es im Hüpfetritt den Weg entlang und setzte es dann wieder hin. Die arme Maulwurfsgrille hatte nichts anderes im Kopf, als sich schleunigst wieder in ihrem Loch in Sicherheit zu bringen, das am Rande des verunkrauteten Weges lag. Jakob flatterte ihr voraus und wartete mit schiefgestelltem Kopf an dem Loch auf ihre Ankunft. Er ließ sie dann halb hereinschlüpfen, faßte blitzschnell zu, trug sie wieder zurück, und dann ging der ganze Spaß wieder von neuem los.
Als Tierfreund fand ich das gar nicht spaßhaft, sondern schnauzte ihn an und versuchte, ihm das gequälte Insekt zu entreißen, worauf er mich wütend anfauchte, es im letzten Augenblick mit einem furchtbaren Schnabelhieb in zwei Hälften zerlegte und auffraß.
Ich stand wie vom Blitz
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