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Gute Nacht, mein Geliebter

Titel: Gute Nacht, mein Geliebter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inger Frimansson
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glitten. In holprigem Englisch erklärte sie, dass sie gerne den Platz tauschen würde. Die Stewardess hieß Hana, der Name stand auf einem kleinen Schild an ihrer Brust. Hanas Lippen bewegten sich, sie waren sorgfältig geschminkt. Hanas Lippen machten ihr klar, wenn sie den Platz tauschen wolle, sorry, müsse sie die Sache schon selber in die Hand nehmen.
    Der belgische Mann hörte zu.
    »Your husband?«, fragte er teilnahmsvoll.
    »Yes.«
    Der Mann schüttelte düster den Kopf.
    »Very long journey«, brummte er.
    Sie dachte, dass sie es nicht ertragen würde, mit diesen Fremden konfrontiert zu werden, Englisch sprechen zu müssen, den Versuch zu machen, neben ihnen zu schlafen, sich nach Nathan zu sehnen. Sie stand im Gang, und es war eng. Sie ging nach hinten, Nathan saß eingeklemmt in der mittleren Reihe. Er lächelte gequält.
    »Diese verdammte Fluggesellschaft«, sagte er.
    »Ich habe sie gebeten, uns zu helfen, sie haben gesagt, das müssten wir selbst in die Hand nehmen.«
    »Ich habe alle gefragt, die neben mir sitzen. Aber sie wollen nicht tauschen, sie sind Raucher.«
    Die Chefstewardess zwängte sich mit ein paar Kissen an ihr vorbei.
    »Es ist besser, du gehst jetzt und setzt dich hin«, sagte Nathan. »Du stehst im Weg.«
     
    Sie nahmen ein Taxi zum Hotel. Die Hitze war brütend und sie überraschte sie. An einer Hauswand sah sie ein riesiges Thermometer, es zeigte 34 Grad Celsius im Schatten. Sie suchte im Rucksack nach ihrer Sonnenbrille, fand sie aber nicht. Als sie durch die Vororte fuhren, versuchte sie sich einzureden, die Stadt sei schön, und sah sich die Palmen und die Sträucher mit den großen, roten Blüten an, die auf dem Mittelstreifen wuchsen. Sie war so müde, dass ihr schlecht war.
    Das Autoradio war an, Musik, unterbrochen von Gesprächen. Es klang wie eine hitzige Diskussion. Sie verstand kein Wort. Nathan saß auf dem Beifahrersitz. Die Rucksäcke lagen neben ihr auf der Rückbank. Sie hatten sie in einem Secondhandladen für Campingbedarf für einen Fünfziger das Stück gekauft. Das war ein Teil von Nathans Konzept. Die Teilnehmer seiner Gruppen sollten bei der Anschaffung billiger Ausrüstung beraten werden. Es sollten keine Reisen nur für Reiche werden.
    Er hatte ihr beigebracht, wie man sich den Rucksack umgurtet, ihr mit den Schnallen geholfen und ihr gezeigt, wie man die Gurtenden umschlug, damit sie mit einem Ruck geöffnet werden können. Ein Name stand mit Kugelschreiber geschrieben auf der Innenseite der Rucksackklappe. Bo Falk. Er hatte ihn früher besessen, eine kurze Zeit lang. Sie stellte ihn sich als einen kurz geschorenen, flaumigen Jüngling vor, fragte sich, ob er mit seinem Leben zufrieden, ob er glücklich war.
    Am Abend vor ihrer Abreise hatte Nathan ihr ein Maskottchen geschenkt. Es war ein zotteliges Tier, das wie ein Bär aussah, sie hatten es an einem der Riemen befestigt. Das Tier würde sie im Dschungel begleiten. Und wenn sie zurückkehrten, würde es einen Platz am Kopfende ihres Betts bekommen, als ständige Erinnerung daran, was sie geschafft und durchgestanden hatte.
    »Das wird hart, Justine, bist du sicher, dass du mitkommen willst?«
    Sie war sich sicher.
    Ihre Augen wurden von dem grellen, weißen Licht geblendet. Wie Schatten sah sie auf den Vordersitzen Nathan und den Taxifahrer, wie sie mit den Händen fuchtelten und gestikulierten. Nathan drehte sich zu ihr um.
    »Wie geht’s?«
    »Gut«, flüsterte sie. »Aber etwas benommen.«
    »Weißt du, was der Fahrer sagt? Er sagt, es gebe kein Hotel, das so heißt. Aber ich weiß genau, dass er Unrecht hat. Er wird nachgeben müssen.«
    »Vielleicht hat es ja zugemacht?«
    »Unsinn! Er will mich ausnehmen, das ist alles.«
    Überall wurde gebaut. Halb fertige Wolkenkratzer ragten in den Himmel, spiegelnde Fenster und Glasfronten. Die Straßen waren voller Autos und Motorroller, Helme auf flatternden Kopftüchern. Schließlich bog das Auto auf ein kurzes Stück Straße zwischen aufgerissenen Bürgersteigen und Erdhaufen ab. Der Taxifahrer deutete.
    »Hotel Explorer?«, sagte er mürrisch.
    Ja, da war es. Nathans triumphierender Blick. Er klopfte dem Taxifahrer auf die Schulter. Der Mann zuckte zusammen, als hätte man ihn geschlagen.
    Auf dem Bürgersteig vor dem Hotel lag ein schon etwas größerer Junge. Im ersten Moment glaubte Justine, er wäre tot. Dann sah sie, dass sein Brustkorb sich hob. Seine Füße waren nackt und schwarz. Justine wollte zu Nathan eine Bemerkung über diesen Jungen

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