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Gute Nacht, mein Geliebter

Titel: Gute Nacht, mein Geliebter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inger Frimansson
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machen, aber er war schon dabei, ihr Gepäck hineinzutragen. Sie bekamen einen Schlüssel, Zimmer Nummer 15, oberste Etage.
    Sie war zu müde, um darauf zu achten, wie das Zimmer aussah. Es war recht dunkel, das war angenehm. Nathan schaltete den großen Deckenventilator ein, der sich quietschend in Bewegung setzte. Er zeigte auf das Bett, das der Wand am nächsten lag.
    »Du siehst aus, als würdest du jeden Moment zusammenklappen. Leg dich hin.«
    »Hast du den Jungen auf der Straße gesehen? Der einfach dalag. Wenn er nun krank ist?«
    »Ja.«
    »Einfach so auf der Straße zu liegen. Zwischen all den Menschen. Und niemand scheint das zu kümmern.«
    »Die Welt ist voller armer Menschen.«
    Sie lag auf dem Rücken, nur im Slip, der Ventilator drehte sich und lief. Nathan küsste sie auf die Wange. Seine Stirn war von kleinen Schweißperlen bedeckt.
    »Ich nehme eine Dusche«, sagte er. »Schlaf ein bisschen. Vielleicht gehe ich auch was raus.«
    Nein, dachte sie. Lass mich nicht allein. Bleibe hier an meiner Seite und sei jede Sekunde bei mir.
    Nathan hatte die meiste Zeit während des Flugs geschlafen. Er hatte nie Probleme zu schlafen. Er hatte ihr erklärt, dass sie während ihres Wehrdienstes lernen mussten, sogar im Stehen zu schlafen, wenn es nicht anders ging. Es kam darauf an, mit seinen Kräften Haus zu halten. Von Zeit zu Zeit war sie an seiner Reihe vorbeigegangen, um die Blutzirkulation wieder in Gang zu bringen. Er hatte sich die Decke über den Kopf gezogen. Einmal bewegte er sich, und sie glaubte, dass er sie ansehen würde. Aber er schlief.
    Sie fragte sich, wie viel Uhr es war. Mitten am Tag, vielleicht ein oder zwei Uhr. Zu Hause war es jetzt früher Morgen. Sie dachte ein wenig sorgenvoll an den Vogel, aber er hatte den ganzen Speicher voller Futter, es würde schon gut gehen.
    Ihre Hose hing an einem Haken, zerknittert und noch ein wenig feucht. Sie roch an ihr. Sie selbst war wieder verschwitzt. In der großen Reisetasche lag ihr Rock, auch er war zerknittert und schnitt ihr in den Bauch. Sie suchte sich noch ein T-Shirt heraus, und als sie sich im Spiegel sah, begann sie zu weinen.
     
    Das Hotel war wie ein Patio gebaut, mit einem überdachten Innenhof. Als sie aus ihrem Zimmer trat, konnte sie alle Etagen überblicken. Ganz unten auf dem Steinfußboden lagen Wäschehaufen. Eine Frau stand mit einem Wischer auf der Treppe. Als Justine an ihr vorbeiging, schaute sie weg.
    Langsam ging sie die Treppen ganz hinunter. Auf einem Absatz entdeckte sie einen kleinen Hausaltar mit Räucherstäbchen und Kerzen. Sie atmete den säuerlichen Geruch ein.
    Das hier ist so weit weg von zu Hause, wie man überhaupt kommen kann, dachte sie. Vor Müdigkeit fühlte sie sich ganz leer.
    Im Hotelfoyer saß ein hoch gewachsener Mann in einem gemusterten, kurzärmeligen Hemd, das ihm am Rücken klebte. Ein Tischventilator auf dem Tresen kühlte seine glänzende Stirn. Justine gab ihm den Zimmerschlüssel und fragte, ob er ihr helfen könne, Geld zu tauschen.
    »No, no«, antwortete er und zeigte auf die Straße hinaus.
    Draußen stand die Hitze wie eine glühende Wand. Da musste sie durch, musste sich Geld besorgen und etwas in den Magen bekommen, Wasser und etwas Essbares. Der Junge, der dort gelegen hatte, war fort, was sie erleichterte. Sie begann, in die Richtung zu gehen, in die der Portier gezeigt hatte. Der Verkehr war lebhaft, die Luft schwül. Das gleißende Licht trieb Tränen in ihre Augen. Es war wie ein Schwindel, ein surrendes, staubendes Inferno mit Straßen, die in alle Richtungen führten, wie Labyrinthe. Sie folgte der Straße, die sie für die Hauptstraße hielt, glaubte schließlich, ein Schild mit dem Wort Bank zu sehen. Sie bog nach rechts ab, versuchte sich einzuprägen, wie die Häuser und die Schaufenster aussahen.
    Es war keine Bank. Es war eine Art Büro, sie sah, wie sich drinnen, hinter den spiegelnden Scheiben, Männer bewegten. Sie griff nach der Klinke, aber die Tür war verschlossen.
    Sie stellte sich zwei Frauen in farbenfrohen Kleidern und Tüchern in den Weg.
    »Excuse me … but where can I exchange my money?«
    Sie schoben das Kinn vor, die gleiche ratlose Geste bei beiden.
    Sie musste umkehren, wusste aber plötzlich nicht mehr, wo sie war. Alles sah gleich aus, die gleichen Schaufenster, die gleichen Autos, die gleichen Häuser. Es wurde ihr ein wenig schwarz vor Augen, alles drehte sich, Gerüche und Geräusche und Durst.
    Sie hörte, wie jemand ihren Namen rief. Sie hob den

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