Gute Nacht: Thriller (German Edition)
Latexhandschuhen auf diesen Tasten herumgetippt hat.«
Eine Sekunde herrschte Schweigen. »Nicht unbedingt Latex, aber wie …«
»Das ist der wahrscheinlichste Ablauf. Die einzige andere Möglichkeit wäre, dass der Mörder Ruth dazu gezwungen hat, den Text nach seinem Diktat zu schreiben. Doch sie hätte so viel Angst gehabt, dass es bestimmt Probleme gegeben hätte. Schon allein ihr das Passwort abzupressen, wäre ein großes Risiko für ihn gewesen. Je länger sie am Leben blieb, desto gefährlicher wäre es geworden. Sie hätte einen Nervenzusammenbruch erleiden und einen Schreikrampf bekommen können. Alles andere als eine beruhigende Aussicht für ihn. Nein, er musste sie so schnell wie möglich beseitigen, um sich sicher zu fühlen.«
»Sie halten nicht hinter dem Berg mit Ihrer Meinung, oder? Möchten Sie mir noch was mitteilen, Mr. Gurney?«
Er dachte an seine vorläufige Fallprämisse mit Fragen, die er Hardwick und Holdenfield geschickt hatte. »Ich hätte da ein paar unbequeme Überlegungen zum ursprünglichen Fall, die Ihnen vielleicht eine Hilfe sein könnten.«
»Ich bekomme langsam den Eindruck, dass Sie es für eine Tugend halten, unbequem zu sein.«
»Nicht für eine Tugend, aber es stört mich nicht.«
»Wirklich? Ich dachte, ich hätte da so eine Lust auf Diskussionen rausgehört. Schlafen Sie gut. Die Besprechung morgen wird bestimmt interessant.«
Er machte kaum ein Auge zu.
Sein Versuch, früh zu Bett zu gehen, wurde vereitelt von Madeleine, die von ihrem Treffen in der Klinik zurückkehrte und darauf aus war, die ewige Klage aller in sozialen Berufen Tätigen vorzubringen: »Wenn die Energie, die für Absicherung und bürokratischen Quark aufgewendet wird, in die Betreuungsarbeit gesteckt würde, könnte das in einer Woche die Welt verändern!«
Drei Tassen Kräutertee später machten sie sich schließlich auf den Weg ins Schlafzimmer. Madeleine ließ sich auf ihrer Seite mit Krieg und Frieden nieder, dem schlaffördernden Meisterwerk, dem sie offenbar in kleinen Dosen beizukommen gedachte.
Nachdem er den Wecker gestellt hatte, lag Gurney da und dachte darüber nach, was Bullards Beweggründe waren und wie sie sich auf die Besprechung in Sasparilla auswirken mochten. Anscheinend sah sie in ihm einen Verbündeten oder zumindest ein nützliches Werkzeug für die erwartete Auseinandersetzung mit Trout und Kollegen. Gurney machte es nichts aus, benutzt zu werden, wenn dabei seine eigenen Absichten nicht auf der Strecke blieben. Ihm war klar, dass das Bündnis mit ihr nur zufällig zustande gekommen war und nicht auf tieferen Gemeinsamkeiten beruhte. Er musste also genau darauf achten, ob sich bei dem Treffen der Wind drehte. Alles andere als eine neue Erfahrung für ihn, denn im New York Police Department war das sozusagen der Normalfall.
Als er eine Stunde später in einen Zustand angenehm leerer Betäubtheit driftete, legte Madeleine ihr Buch beiseite und wandte sich an ihn. »Hast du eigentlich schon diesen deprimierten Steuerberater erreicht, um den du dir Sorgen gemacht hast – den mit der großen Waffe?«
»Noch nicht.«
Erneut sickerten Unsicherheit und Beklemmung lähmend in seinen Kopf ein und vertrieben jede Hoffnung auf eine friedliche Nachtruhe. In seinen Gedanken und rastlosen Träumen tauchten immer wieder Bilder von Schusswaffen, Eispickeln, brennenden Gebäuden, schwarzen Regenschirmen und zerplatzten Schädeln auf.
Bei Sonnenaufgang erst sank er in tiefen Schlaf, aus dem ihn eine Stunde später das schrille Klingeln seines Weckers riss.
Als er nach dem Duschen und Anziehen den Aufwachkaffee in der Hand hatte, war Madeleine schon draußen, um in einem Gartenbeet den Boden zu lockern.
Ihm fiel ein, dass sie neulich etwas vom Anpflanzen von Zuckerschoten gesagt hatte.
Wie angenehm der Morgen sich anfühlte! Nicht bedrohlich, unkompliziert wie so oft. Jeder Morgen – vorausgesetzt, ein Minimum an Schlaf grenzte ihn vom vorangegangenen Tag ab – schuf die Illusion eines Neuanfangs, einer Befreiung von der Vergangenheit. Menschen waren anscheinend wahrhafte Tagesgeschöpfe, nicht nur weil sie nicht nachtaktiv waren, sondern auch weil sie dafür gemacht schienen, jeden Tag bewusst zu erleben – einen nach dem anderen und jeden Morgen wieder aufs Neue. Kein Wunder, dass die CIA Schlafentzug als Folter benutzte. Schon zweiundsiebzig Stunden ununterbrochenes Leben – Sehen, Hören, Spüren, Denken – konnten ausreichen, damit ein Mensch den Tod herbeisehnte.
Die
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