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Gute Nacht: Thriller (German Edition)

Gute Nacht: Thriller (German Edition)

Titel: Gute Nacht: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Verdon
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und erkannte, was er da vor Augen hatte, war es auch nicht sinnvoller als eine Rose in voller Blüte.
    Der gerade Stiel war der Schaft eines Pfeils, der mit der Spitze in der feuchten, weichen Erde steckte, und die Blüte bestand aus drei scharlachroten Federn am gekerbten Ende, die hell im Licht der tief stehenden Sonne glänzten.
    Verblüfft starrte Gurney das Ding an. Hatte Madeleine es in die Erde gesteckt? Wenn ja, wo hatte sie es her? Diente es ihr als Markierung? Der Pfeil sah nicht verwittert aus, er konnte also nicht den ganzen Winter unter dem Schnee gelegen haben. Und falls Madeleine es nicht getan hatte, wer dann? War es möglich, dass er nicht »hineingesteckt«, sondern von jemandem mit einem Bogen abgeschossen worden war? Aber damit er sich nahezu senkrecht in die Erde bohrte, hätte man ihn genauso senkrecht in die Luft schießen müssen. Wann? Warum? Wer? Von wo aus?
    Er stieg auf das niedrige Beet, packte den Schaft dicht über dem Boden und zog ihn langsam heraus. Die Spitze hatte vier messerscharfe Klingen – es handelte sich also um einen Pfeil, der mühelos einen Hirsch durchbohren konnte, wenn man ihn mit einem leistungsfähigen Bogen abfeuerte. Beim Betrachten des tödlichen Geschosses beschäftigte ihn vor allem der unwahrscheinliche Zufall, dass er an einem Tag gleich auf zwei scharfe Waffen rätselhafter Herkunft stieß.
    Aber möglicherweise hatte Madeleine eine einfache Erklärung für den Pfeil. Er nahm ihn mit ins Haus und wusch ihn in der Spüle mit fließendem Wasser ab. Mit der Spitze, die offenbar aus Karbonstahl bestand, hätte man sich ohne Weiteres rasieren können. Das erinnerte ihn wieder an das Küchenmesser in Kims Wohnung und an die Mappe, die noch immer in seinem Auto lag. Vorsichtig legte er den Pfeil auf die Kiefernholzanrichte und stapfte durch den kleinen Flur hinaus.
    Als er die Seitentür öffnete, stand plötzlich Madeleine vor ihm in einer ihrer typischen grellbunten Farbkombinationen: rosa Trainingshose, lavendelfarbene Fleecejacke und eine Baseballmütze in Orange. Wie immer nach einem Bergspaziergang wirkte sie angenehm erschöpft und leicht außer Atem. Er machte einen Schritt zurück, um sie hineinzulassen.
    Sie strahlte. »Es ist herrlich! Hast du das unglaubliche Licht am Hang gesehen? Und das zarte Rot der Knospen!«
    »Welche Knospen?«
    »Das hast du nicht bemerkt? Komm, komm her.« Sie führte ihn am Arm hinaus und deutete glücklich auf die Bäume hinter der oberen Wiese. »Das gibt’s nur im Frühjahr – diesen Hauch von Pink in den Ahornbäumen.«
    Gurney sah, was sie meinte, konnte aber ihre Begeisterung nicht teilen. Im Gegenteil, die schwachen Farben vor dem braungrauen Hintergrund der Landschaft lösten eine alte Erinnerung in ihm aus, von der ihm übel wurde: braungraues Wasser in einem Graben neben einer verlassenen Anliegerstraße hinter dem Flughafen LaGuardia, ein schwacher rötlicher Ton in der stinkenden Brühe, unter deren Oberfläche eine mit Maschinenpistolenschüssen übersäte Leiche trieb.
    Besorgt schaute sie ihn an. »Alles in Ordnung?«
    »Bloß ein bisschen müde.«
    »Möchtest du Kaffee?«
    »Nein«, antwortete er scharf, ohne zu wissen, warum.
    »Komm rein.« Sie nahm Jacke und Mütze ab und hängte beides im Vorraum auf. In der Küche ging sie zur Spüle und drehte den Hahn auf. »Wie ist es mit deiner Fahrt nach Syracuse gelaufen?«
    Er erinnerte sich, dass die verdammte blaue Mappe noch immer im Auto lag. »Ich hör dich nicht, wenn das Wasser läuft.« Das war jetzt wie oft? Dreimal, dass ich vergessen habe, das Ding reinzubringen. Dreimal in zehn Minuten. Verdammt.
    Sie schenkte sich ein Glas voll und drehte den Hahn zu. »Ich hab wegen deiner Fahrt nach Syracuse gefragt.«
    Er seufzte. »Ziemlich merkwürdig. Syracuse ist ein Scheißloch. Warte kurz … Ich erzähl dir gleich mehr.« Er ging hinaus zum Wagen, und diesmal kam er mit der Mappe zurück.
    Madeleine schien verwirrt. »Ich dachte, da gibt es so schöne alte Viertel. Vielleicht nicht in der Gegend, wo du warst?«
    »Ja und nein. Schöne alte Viertel und dazwischen immer wieder Bandenterritorium.«
    Ihr Blick fiel auf die Mappe in seiner Hand. »Ist das Kims Projekt?«
    »Was? Ach so. Ja.« Er sah sich nach einem Platz um, wo er sie hinlegen konnte, und bemerkte den Pfeil auf der Anrichte. Er deutete darauf. »Weißt du was darüber?«
    »Das da?« Ohne ihn zu berühren, begutachtete sie den Gegenstand. »Ist das das Ding, das ich draußen gesehen

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