Guten Tag, ich bin das Hausgespenst
einfach so an der Oberfläche, wie du dir das vorzustellen scheinst, sondern sie wachsen aus einem kriechenden Wurzelstock vom Boden des Sees her, verstanden?“
„Wenn du es sagst!“
„Seerosen gleich beim Haus, ich finde es wunderbar!“ rief die Mutter. „Aber wir können uns nicht den ganzen Morgen damit aufhalten! An die Arbeit, meine Lieben!“
Jeder brachte sein eigenes Zimmer in Ordnung, dann mußten die Fenster geputzt und Böden geschrubbt werden, und keine durfte sich ausschließen. Herr Schmidt fuhr nach Ottobrunn, kaufte Glühbirnen und Fassungen, um wenigstens dort, wo es möglich war, eine provisorische Beleuchtung anzubringen.
Aber am Abend fanden alle, daß es nicht halb so romantisch war wie gestern beim Kerzenschein. Sie gingen später ins Bett, weil sie nicht ganz soviel geschuftet hatten und sich ausschlafen konnten. Am nächsten Tag wollten sie ihr neues Heim und den Garten erst einmal richtig genießen.
Als Monika sich von Liane verabschiedete, sagte sie: „Ich bin gespannt, wie es heute nacht sein wird.“
„Wie schon? Da Vati mit auf dem Boden war, werden wir sicher Ruhe haben.“
„Hoffen wir’s.“
Monika nahm sich ein Buch mit ins Bett. Sie hatte sich vorgenommen, noch lange zu lesen. Das hatte sie ja früher, als sie noch mit Liane das Zimmer teilte, nie gekonnt. Aber viel schneller, als sie gedacht hatte, fielen ihr die Augen zu, und sie konnte gerade noch ihre Nachttischlampe ausknipsen, dann war sie eingeschlafen.
Mitten in der Nacht wurde sie durch ein Krachen und Poltern geweckt. „Nicht schon wieder!“ rief sie laut, sprang aus dem Bett und rannte in die obere Diele.
Wie in der vorigen Nacht stürzten auch die anderen aus ihren Zimmern, aber heute war der große, niedere Raum durch eine nackte Glühbirne erleuchtet.
Sie sahen es alle: Die Tür zur Speichertreppe war aufgesprungen, und das Gemälde des weißgelockten Knaben lag, die bemalte Fläche nach oben, zwei Schritte davon entfernt auf den Dielenbrettern.
„Wer hat das getan?“ fragte Herr Schmidt. „Ihr wißt, ich bin ein gutmütiger Mensch, aber an der Nase herumführen lasse ich mich nicht. Es gibt keine Strafe, aber ich will jetzt wissen: Wer von euch hat sich diesen Streich ausgedacht?“
„Ich nicht!“ — „Bestimmt nicht!“ — „Niemand!“ riefen Liane, Peter und Monika.
„Lügt mich nicht an! Was ihr vielleicht nicht wißt: ich war heute tagsüber noch einmal oben und habe mich vergewissert, daß das Bild an seinem Platz gelegen hat. Jemand von euch muß es heruntergeholt haben!“
Wieder beteuerten alle drei ihre Unschuld.
„Peter, gib es zu!“ drängte der Vater. „Du wolltest uns einen Streich spielen, das ist doch nicht so schlimm!“
„Warum soll ausgerechnet ich es gewesen sein?“ protestierte Peter. „Als wenn ich nichts als Blödsinn im Kopf hätte! Nein, ich war es nicht! Da mußt du dich schon an eine andere Adresse wenden!“
„Dann warst du es, Moni!“ behauptete Liane.
„Wie kommst du darauf?“
„Weil du so dumm dahergeredet hast, als wir schlafen gingen. Ob heute nacht auch nichts passieren würde. Damit hast du dich verraten.“
„Du, Moni?“ fragte die Mutter.
Monika entrüstete sich. „Aber nein, das ist einfach nicht wahr!“
„Hast du es gesagt oder nicht?“
„Gesagt habe ich es, aber das heißt doch nicht... wie soll ich das überhaupt angestellt haben?“
„Sehr einfach“, meinte der Vater, „du hast das Gemälde hierhergeworfen, bist schnell zurück in dein Zimmer und dann gleichzeitig mit uns anderen wieder heraus. Zeig mal deine Füße!“
Aber Monikas Fußsohlen waren sauber.
„Wahrscheinlich war sie mit Pantoffeln oben“, behauptete Liane, „bestimmt sogar, und die hat sie dann rasch ausgezogen!“
Sie öffnete die Tür zu Monikas Zimmer.
„Da stehen sie!“ triumphierte Monika. „Ordentlich ausgerichtet, genau vor dem Bett. Meinst du, man würde seine Pantoffeln so hinstellen, wenn man es eilig hat? Ihr spinnt wohl!“ rief sie fast verzweifelt.
„Das besagt doch gar nichts. Du warst eben raffiniert...“
„Aber ich bin nicht raffiniert! Ihr müßtet doch wissen, daß ich nicht raffiniert bin!“ Helle Tränen sprangen aus Monikas Augen.
Liane blieb ungerührt. „Anscheinend entwickelst du ungeahnte Talente.“
„Nein, so geht das nicht“, mischte sich der Vater ein, „wir können nicht einfach jemandem die Schuld zuschieben, gegen den wir gar keine Beweise haben, nur so aus einem Gefühl heraus. Das geht
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