Gwydion 01 - Der Weg nach Camelot
sondern nahm Rowan den Teller ab.
„Ist neben dir noch ein Platz frei?“, fragte sie Gwyn, der zu verdutzt war, als dass er etwas sagen konnte, und nur nickte.
„Wie ich sehe, hast du es trotz der Mädchenkleider geschafft, aufgenommen zu werden“, sagte Aileen mit vollem Mund. „Herzlichen Glückwunsch.“
„Danke, Hoheit.“
Die Prinzessin winkte ab. „Solange weder mein Großvater noch irgendein Ritter in der Nähe ist, bin ich für alle nur Aileen.“
„Also gut, Aileen.“
„Und? Wie hat dir der Abend in Gesellschaft dieser Runde alter Männer gefallen?“, fragte sie.
„Er hat wie alle auch an Guinevra sein Herz verloren“, sprang ihm Rowan bei. „Ein Blick von ihr hatte genügt, und unser Freund brannte lichterloh.“
Gwyn spürte, wie ihm das Blut in den Kopf schoss. Aileen lachte und schüttelte den Kopf. „Ich habe hier noch etwas für dich. Deine Sachen. Katlyn hat sie gewaschen und ausgebessert.“ Sie gab ihm ein Bündel. Gwyn öffnete es und schaute hinein. In der Tat sahen Hose und Hemd wie neu aus.
„Was rieche ich denn da?“, flötete Cecil und schloss schwelgerisch die Augen. „Veilchen und Maiglöckchen.“
„Katlyns Lieblingsduft“, rief Orlando. „Sieht aus, als hättest du einen bleibenden Eindruck bei ihr hinterlassen!“
„So ein Quatsch“, murmelte Gwyn und verstaute das Bündel hastig unter der Bank.
„Oh, da fällt mir ein: Katlyn lässt nachfragen, wann sie ihr Kleid wiederhaben kann“, sagte Aileen.
„Verdammt“, fluchte Gwyn. Er hatte das Kleid einfach unter sein Bett gestopft und dann schlicht vergessen. „Sag ihr, dass sie es bald zurückbekommt.“
„Was ist mit euch, Jungs?“ Arnold stand in der Tür und klatschte in die Hände. „Wollt ihr die ganze Nacht noch hier sitzen? Da sind Töpfe und Schüsseln, die gespült werden müssen…“ Plötzlich starrte er wie vom Donner gerührt Prinzessin Aileen an und seine glupschigen Augen schienen dabei fast aus ihren Höhlen zu fallen. „Hoheit…“, stammelte er. „Wie kommt Ihr denn hierher?“
„Tut nicht so erschrocken, Meister Arnold“, sagte Aileen. „Ihr wisst doch, dass ich mir nach solchen Veranstaltungen immer noch ein verspätetes Nachtmahl gönne.“
„Aber… aber Ihr sitzt mit den Knappen beisammen! Das ist nicht standesgemäß!“
Ohne etwas zu erwidern, begann sie, das Geschirr zusammenzustapeln.
„Um Himmels willen, lasst das stehen, ich bitte Euch!“, jammerte Arnold und wollte ihr die Teller aus der Hand nehmen. „Wenn das der König erfährt, wird er mich in hohem Bogen rauswerfen!“
„Ich mache Euch einen Vorschlag: Wenn Ihr mir versprecht, meinem Großvater nichts davon zu erzählen, werde auch ich meinen Mund halten. Einverstanden?“ Mit diesen Worten stellte sie die Teller in den Waschzuber und krempelte die Ärmel hoch.
„Ist sie nicht ein fantastisches Mädchen?“, sagte Rowan und seine Augen leuchteten.
„Oh ja, das ist sie“, sagte Gwyn leise. „Das ist sie in der Tat.“
Das scharlachrote Buch
Während die anderen todmüde in ihre Betten fielen und nach kürzester Zeit selig schnarchten, lag Gwyn noch wach. Seine Schulter hatte wieder zu schmerzen begonnen und er wusste nicht, wie er sich legen sollte. Merlins Salbe fiel ihm ein, die ihm am Nachmittag auf so wunderbare Weise geholfen hatte. Er setzte sich auf, um den Arm mit ihr einzureihen. Der Duft von Kampfer und Minze erfüllte den Raum und die Schmerzen waren augenblicklich wie weggeblasen. Dafür stellte er nun aber fest, dass ihn ziemlicher Durst plagte. Gwyn seufzte und stand auf. An Schlaf war nun wirklich nicht mehr zu denken. Er schlurfte zur Tür, wo ein großer Wasserkrug stand, doch der war leer.
Wenn er also etwas trinken wollte, musste er über den Burghof hinüber zur Küche. Er überlegte kurz, ob er auf die Schnelle seine Stiefel anziehen sollte, entschied sich dann aber doch anders. Er nahm den Krug, öffnete vorsichtig die Tür und huschte barfuß hinaus.
Mit Ausnahme der Wachen, die auf den Wehrgängen der Burgmauer patrouillierten, schlief alles tief und fest. Ohne besondere Eile ging Gwyn über den Hof. Glücklicherweise war die Seitentür in den Hauptturm nicht abgeschlossen.
In der Küche war es finster, nur im Kamin schwelte noch ein kleines Feuer. Gwyn stellte den Krug neben den Wassertrog und nahm die Schöpfkelle, um sich erst einmal satt zu trinken. Dann erst füllte er das Gefäß, wobei ihn die Katze des Küchenmeisters neugierig
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