Gwydion 01 - Der Weg nach Camelot
Schwall Wasser. „Die Frau im See…“
Die beiden Ritter drehten sich um und sahen hinaus auf das Gewässer, das sich blau und unergründlich tief vor ihnen erstreckte.
„Das kann nicht sein…“, sagte Sir Kay. „Die Frau vom See ist eine Legende, deren Garn Lancelot gesponnen hat. Der Mangel an Luft hat ihm die Sinne verwirrt.“
„Nun, vielleicht ist Lancelots Geschichte doch kein Märchen gewesen.“ Sir Urfin drehte sich zu Gwyn um, dessen Blick wieder klarer wurde. „Was hat dir diese Frau sonst noch gesagt?“
„Dass Mordred wieder zurückgekehrt ist. Und sie sagte, er sei nicht allein – er muss Verbündete gefunden haben. Er sei dabei, sich bei Tintagel für einen großen Kampf vorzubereiten.“
„Was sollen wir tun?“, fragte Sir Urfin. Er schaute Sir Kay ratlos an.
„Wahrscheinlich ist das alles das Fantasieprodukt eines verwirrten Jungen“, sagte Sir Kay nachdenklich. „Dennoch, wir haben keine andere Spur, die uns zu Merlin führt.“
Sir Urfin lächelte. „Dies ist ein Tag, den wir nie vergessen sollten. Zum ersten Mal sind wir beide einer Meinung.“
Die dunkle Burg
Rowan ließ Gwyn für den Rest des Tages nicht aus den Augen. Immer wieder musste er ihn stützen, damit er nicht aus dem Sattel fiel. Sir Kay hatte ein Einsehen, als er sich dazu entschloss, früher als sonst zu rasten. Es war sinnvoller, mit einem frisch ausgeruhten Knappen weiterzureisen, als sich bis zum Sonnenuntergang weiterzuquälen.
Nach einer ruhigen Nacht, in der Gwyn nahezu traumlos schlief, ging es weiter. Gwyn fühlte sich zwar noch immer schwach, doch bei weitem nicht mehr so erschöpft wie nach seiner wundersamen Rettung.
Mittlerweile hatten sie den Tanna überschritten. Von hier aus war es nicht mehr weit bis zum Meer. Gwyn fiel auf, dass das Land wie von einer unheimlichen Krankheit befallen schien. Hier blühten weder Bäume noch Blumen. Das Gras war vertrocknet wie die zerzausten Sträucher, die auf den kahlen Feldern wuchsen.
Es dauerte nicht lange und sie sahen den ersten niedergebrannten Bauernhof. Sir Urfin untersuchte die Ruinen und kam kurz darauf zurück, einen zerbeulten Helm in der Hand.
„Sachsen“ stellte er fest und warf ihn Sir Kay zu, der ihn auffing und kurz untersuchte.
„Das ist eine ernste Angelegenheit“, sagte Sir Kay. „Sie sind weiter im Westen, als ich dachte. Sie haben dieses Land so verwüstet, dass es Jahre dauern wird, bis die Felder wieder Früchte abwerfen.“
„Und sie scheinen noch nicht abgezogen zu sein“, erwiderte Sir Urfin. „Schaut dort drüben.“
Der Klang eines Horns erschallte, als in einiger Entfernung eine Gruppe von vielleicht vierzig Kriegern in Reih und Glied über eine Hügelkuppe marschiert kam. Schnell zogen sich die Gefährten mit ihren Pferden in die Ruine zurück. Von ihrem Versteck aus spähten sie vorsichtig nach draußen. Die Krieger hatten langes, zu Zöpfen geflochtenes Haar und struppige Bärte. Mit ihren gehörnten Helmen, Fellumhängen und riesigen Streitäxten machten sie auch auf die Entfernung einen Furcht erregenden Eindruck. Der Anführer saß hoch zu Ross und brüllte den Männern Befehle in einer Sprache zu, die Gwyn nicht kannte. Dafür war ihm das Zeichen, das seinen schwarzen Brustharnisch zierte, nur zu bekannt.
Sir Urfin schaute Sir Kay überrascht an. „Ich kenne die Sachsen nur als wilden Haufen, der von Schlachtordnung und militärischer Disziplin keine Ahnung hat.“
„Sie sind Mordreds Verbündete!“, rief Gwyn bestürzt, dem beim Anblick des Anführers die Erkenntnis kam. „Von ihnen hat die Frau im See gesprochen.“
„Du hast den grünen Drachen gesehen?“, fragte Sir Urfin besorgt.
Gwyn nickte.
„Wir sollten dem Trupp in gebührender Entfernung folgen“, sagte Rowan. „Vielleicht wird er uns zu Mordred führen.“
„Das denke ich auch“, sagte Sir Kay mit grimmiger Miene. „Doch ich befürchte, dass uns nicht gefallen wird, was wir dort sehen werden.“
Den ganzen Tag hindurch ritten sie den Sachsen mit äußerster Vorsicht und in sicherem Abstand hinterher und Gwyn fragte sich, ob sie noch am selben Tag ihr Ziel erreichen würden.
Es war empfindlich kalt geworden. Ein Sturmwind trieb schwere Wolken über sie hinweg, die den Landstrich noch trostloser erscheinen ließen.
Gwyn fror, nicht nur wegen der gefallenen Temperatur. Er hatte das Gefühl, dass sie sich geradewegs dem Herzen des Bösen näherten. Als der Tag bereits in graues Zwielicht getaucht war, hatten sie
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