Gwydion 03 - König Arturs Verrat
finden.
Lancelot war wegen des nächtlichen Vorfalls noch immer wütend auf Gwyn. Den ganzen Tag hatten sie kein Wort miteinander gewechselt, was Gwyn im Grunde ganz recht war. Auch er war nicht in der Stimmung, sich mit seinem Herrn zu unterhalten.
Er trat hinaus in die Eingangshalle und wäre beinahe mit Tom zusammengestoßen.
„Entschuldigt, junger Herr“, murmelte dieser und wollte seinen Weg fortsetzen, als Gwyn ein Gedanke kam.
„Tom?“
Der Bursche drehte sich zu ihm um. „Ja?“
„Sag einmal, wie lange arbeitest du schon für Sir Gore?“
„Solange ich denken kann. Warum?“
Gwyn zögerte einen Moment. „Dieser Turm“, sagte er. „Was kannst du mir über ihn erzählen?“
„Nichts, außer dass niemand von uns ihn betreten darf. Er ist sehr alt und Sir Gore befürchtet, er könne eines Tages einstürzen.“ Er wandte sich zum Gehen.
„Aber wie kommt es dann, dass ich in der letzten Nacht ein Licht in einem der Fenster gesehen habe?“, fuhr Gwyn fort.
Toms Gesicht wurde auf einmal blass.
„Was verbirgt Sir Gore in diesem Turm?“, bohrte Gwyn weiter.
Der Bursche warf ängstlich einen Blick über seine Schulter, dann zog er den Knappen in eine dunkle Ecke.
„Die Leute erzählen sich Geschichten. Dass ein Fluch auf Chulmleigh Keep liegt“, flüsterte er.
„Und dieser Turm hat damit zu tun?“, fragte Gwyn ungläubig.
Tom nickte. „Es geht dort nicht mit rechten Dingen zu. Manche behaupten, sie hätten den Geist der Herrin von Chulmleigh gesehen, die vor vierzehn Jahren gestorben ist. Seit dieser Zeit ist die Burg ein verwunschener Ort. Wir alle sind heilfroh, wenn wir ihn bei Sonnenuntergang verlassen dürfen.“
„Wie ist sie gestorben?“, fragte Gwyn.
„Man sagt, an einem Fieber.“
„Gibt es ein Grab?“
Auf diese Frage hin zuckte Tom bloß mit den Schultern. „Ich habe es nie gesehen.“
Gwyn schob die Unterlippe vor. Er wusste nicht, was er mit dieser Geschichte anfangen sollte. „Würdest du mir dabei helfen, dieses Geheimnis zu lüften?“
Tom schaute Gwyn mit großen Augen an. Er schluckte, dann nickte er. „Sagt mir wie.“
„Ich brauche einen Schlüssel.“
„Soviel ich weiß, gibt es nur zwei. Einer ist im Besitz unseres Herrn. Wo er ihn verwahrt, weiß ich nicht. Den anderen trägt Mara an einem Bund bei sich. Sie würde sein Fehlen sofort bemerken. Wenn Ihr die Tür öffnen wollt, braucht Ihr einen eigenen Schlüssel. Der Schmied könnte vielleicht einen anfertigen.“
„Aber dazu braucht er eine Vorlage. Und damit beißt sich die Katze in den Schwanz.“
„Ich muss weitermachen“, flüsterte Tom und schaute an Gwyn vorbei. Hastig eilte er davon. Gwyn drehte sich um und sah Mara am Treppenabsatz stehen, die ihn mit kalten Augen musterte. Gwyn zwang sich zu einem Lächeln und nickte ihr zu. Ohne ihn eines weiteren Blickes zu würdigen, stolzierte sie an Gwyn vorbei und folgte Tom nach draußen.
Gwyn packte seine Sachen unter den Arm und stieg die Treppe zu seiner Kammer hinauf. Er warf die Bücher auf das Bett, schob den Türriegel von innen vor und öffnete die Fensterläden.
Der Wind hatte seit der letzten Nacht gedreht und kam nun kalt aus Norden. Es war Hochsommer, doch man konnte glauben, dass bereits der Herbst Einzug hielt. Der Regen hatte ein wenig nachgelassen und war nun in leichtes Nieseln übergegangen. Doch die nächsten Gewitterwolken ballten sich bereits am Horizont. Gwyn zog einen Schemel heran, setzte sich und starrte auf den viereckigen Turm. Seine Grundfläche mochte dreißig mal dreißig Fuß betragen, die Höhe schätzte Gwyn auf knapp sechzig Fuß, vielleicht weniger. Im Abstand von jeweils zehn Fuß waren in der Mitte der Außenmauern Fenster eingelassen, die so klein waren, dass sie auch einfach nur Schießscharten sein mochten. Auf der Nordseite befand sich zudem auf halber Höhe eine weitere kleine Öffnung, die auf einen Kamin schließen ließ, aus dem aber kein Rauch aufstieg. Das Mauerwerk war von außen glatt verfugt. Selbst ein geübter Kletterer würde keinen Halt an ihm finden. Wie Gwyn es auch drehte und wendete: Um in den Turm zu gelangen, musste er sich an die Hausdame halten, die so gerne Herrin von Chulmleigh wäre. Doch den Schlüssel einfach zu stehlen kam nicht infrage, Mara würde den Verlust sofort bemerken. Nein, er musste auf Toms Angebot eingehen und sich einen vom Schmied anfertigen lassen. Und er wusste auch schon, wie er an eine Vorlage kommen würde.
In der Küche, die sich bei den
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