Gwydion 04 - Merlins Vermächtnis
hätte Edwin gutgetan. Obwohl er fast ein Mann war, handelte er beharrlich unter dem unheilvollen Einfluss kindlicher Selbstüberschätzung.“
Gwyn entging nicht, dass Do von seinem Sohn wie von jemandem sprach, der unter tragischen Umständen gestorben war. Er fragte sich, was zwischen ihm und seinem Vater vorgefallen sein mochte.
„Der Hass auf dich war so groß, dass er eines Morgens seine Sachen packte und ging“, sagte Do, als hätte er Gwyns Gedanken gelesen. „Einige böse Worte sind gefallen. Worte, die nicht mehr zurückgenommen werden können – weder von mir, noch von ihm.“ Do Griflet versuchte, sich ein wenig aufzurichten, doch die Schmerzen waren zu groß. Scharf zog er die Luft ein und ließ sich wieder gegen die hölzerne Wand fallen. „Dieser verdammte Stolz“, stöhnte er. „Er hat ihn von mir geerbt und er hat in uns beiden nichts Gutes bewirkt.“
„Niemand kann aus seiner Haut heraus“, sagte Gwyn. „Man ist der, der man ist, auch wenn die Menschen etwas anderes in einem sehen wollen.“
„Also verzeihst du mir?“ In Dos Stimme schwang eine kindliche Hoffnung mit. Gwyn wollte sagen, dass es nichts zu verzeihen gab, doch wusste er, dass dies nicht die Worte waren, die sein Ziehvater von ihm hören wollte.
„Ja“, sagte er. „Ich verzeihe Euch.“
Do Griflet atmete erleichtert aus und schloss mit einem Lächeln die Augen. „Danke“ sagte er und drückte Gwyns Hand. „Nun versprich mir nur noch eines…“
„Alles, was Ihr wünscht.“
„Ich weiß, Muriel ist selbstständig und wird ihr Leben erfolgreich meistern. Aber sie ist trotz aller Vernunft ein ungestümes Mädchen. Eine echte Griflet eben. Kümmere dich um sie. Wirst du das tun?“
Gwyn konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. „Wenn sie es zulässt. Denn wie Ihr bereits bemerkt habt: Sie ist sehr unabhängig.“
„Verlasse sie nicht noch einmal“, presste Do Griflet hervor. Die Schmerzen schienen stärker zu werden. „Sie hat dich sehr vermisst. Ich weiß es, weil ich sie oft um dich habe weinen sehen. Du warst ihr mehr ein Bruder als Edwin und wenn morgen die Sonne aufgeht, wird sie außer dir keine Familie mehr haben.“
Gwyn spürte, wie sich seine Kehle zuschnürte. „Ja, ich verspreche es“, brachte er schließlich hervor.
Do Griflets Körper entspannte sich. „Du bist ein guter Junge. Geh und hole sie. Ich könnte jetzt ein wenig von Lancelots Sud vertragen.“
„Es tut mir leid“, sagte Katlyn traurig. Sie stand mit Gwyn bei der Tür und schaute hinüber zu Muriel, die Abschied von ihrem Vater nahm. Sie hatte ihm vorsichtig den noch warmen Trank eingeflößt, der beinahe augenblicklich seine Wirkung entfaltete. Die Schmerzen wichen aus Dos Gesicht. Seine Augen glänzten. Gwyn wusste, dass dies nur das letzte Aufflackern seines verlöschenden Lebenslichtes war. Muriel weinte und es war ihr Vater, der sie mit leise gemurmelten Worten tröstete, als wäre sie es, die im Sterben lag und nicht er.
„Es tut mir leid“, wiederholte Katlyn mit brüchiger Stimme. „Für dich und für deine Schwester. Ich weiß, wie ihr euch fühlt.“
Gwyn wollte sagen, dass Muriel nicht seine Schwester war, doch er schwieg. Der Regen fiel immer noch in satten Tropfen vom Himmel. Die Vögel zwitscherten in den Bäumen. Ein Eichhörnchen sprang auf einen Zaunpfahl, schaute sich kurz um und verschwand dann mit wenigen Sprüngen hinter einem Stapel Brennholz, der auf der anderen Seite des Hofs aufgestapelt war. Eigentlich war es ein schöner Tag.
„Wir können Abschied von den Menschen nehmen, die uns lieb und teuer sind. Du konntest es damals nicht“, sagte Gwyn.
„Und dieser Verlust sucht mich noch immer in meinen Träumen heim“, sagte Katlyn so leise, dass Gwyn sie kaum verstehen konnte. „Ich sehe meine Eltern und sie sind nicht tot, weil sie verschont wurden. Ich freue mich, sie wiederzusehen, weil ich sie so sehr vermisst habe. Dann wache ich auf und habe das Gefühl, mit ihnen gestorben zu sein.“
Sie sahen, wie Do Griflets Augen immer schwerer wurden. Er flüsterte Muriel etwas zu und strich seiner Tochter über das regennasse Haar.
„Er wird gleich schlafen“, sagte Lancelot. „Das Mittel, das sie ihm gegeben hat, ist sehr stark.“
Rowan sprach kein einziges Wort. Gwyn wusste, dass sein Freund in diesem Moment an den eigenen Vater dachte.
„Do Griflet hat sehr viel Blut verloren“, sagte Lancelot mit einer Stimme, die keinen Zweifel daran ließ, dass Do dem Tod längst näher war als
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