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Gwydion 04 - Merlins Vermächtnis

Titel: Gwydion 04 - Merlins Vermächtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Schwindt
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seiner Kräfte ist.“
    „Ich bin nicht am Ende meiner Kräfte“, kam die Antwort. „Mir geht es gut.“
    „Redet keinen Unsinn!“ Gwyn betrachtete Lancelot genauer. Er hielt den Kopf, als würde er nicht mit den Augen, sondern mit den Ohren sehen wollen. Auf einmal wusste er, was mit dem Ritter los war. „Ihr könnt den Weg nicht mehr erkennen!“
    Lancelot schwieg.
    „Wie lange geht das schon so?“
    „Seit einigen Monaten“, murmelte der Ritter. „Tagsüber geht es noch. Da sehe ich die meiste Zeit alles klar und deutlich. Doch wenn das Licht nachlässt, ist es, als fiele ein Vorhang.“
    „Habt Ihr deswegen schon einen Medicus aufgesucht?“, fragte Gwyn.
    „Ich habe mit Merlin darüber gesprochen, wenn es das ist, was du meinst“, sagte Lancelot.
    „Und was hat er gesagt? Was sollt Ihr dagegen tun?“
    Lancelot schnaubte, als hätte Gwyn einen schlechten Witz gemacht. „Gegen das Alter gibt es keine Kur. Er sagte, ich müsse mich damit abfinden, dass meine Sehkraft nachlässt. Im Moment habe ich nur Schwierigkeiten in der Dämmerung oder bei Mondschein.“
    „Was soll das heißen: im Moment?“
    „Es ist nur eine Frage der Zeit, bis ich auch bei Tageslicht nichts mehr sehe.“ Lancelot drehte seinen Kopf in die Richtung, aus der Gwyns Stimme kam. „Ich erblinde und werde die letzten Jahre meines Lebens in Dunkelheit verbringen.“
    „Was?“, stammelte Gwyn. „Wann… ich meine, wie lange wird es dauern, bis…“
    „Bis es so weit ist? Zwei Jahre, vielleicht drei.“
    „Oh mein Gott“, murmelte Gwyn hilflos. „Gibt es etwas, was ich für Euch tun kann?“
    „Das kannst du in der Tat“, sagte Lancelot mit fester Stimme. „Erzähle niemandem davon. Versprichst du mir das?“
    „Das will ich gerne tun, aber ich verstehe nicht warum.“
    „Mit dem schleichenden Verlust meines Augenlichtes kann ich leben, jedoch nicht mit dem Mitleid, das man mir entgegenbringen würde.“
    Gwyn nickte. „Ich verspreche es. Doch es wird der Tag kommen, an dem es sich nicht mehr verheimlichen lässt. Dessen seid Ihr Euch bewusst.“
    „Ja, das weiß ich. Aber schenk mir diese Zeit.“
    „Wie Ihr wollt“, sagte Gwyn mit belegter Stimme.
    Plötzlich packte ihn Lancelot am Arm. „Darf ich dich um noch etwas bitten?“, sagte er mit einer Stimme, die eher nach einem Befehl klang.
    „Natürlich.“
    „Auch von dir möchte ich dieses Mitleid nicht erhalten.“ Jetzt musste Gwyn lächeln. „Sir Lancelot, so lange Ihr Euren Verstand behaltet und der bleibt, der Ihr seid, ist mir um Euch nicht bange.“
    Den Rest des Weges wich Gwyn nicht von Lancelots Seite. Ohne dass die anderen es bemerkten, hatte er die Schlaufe seines Gürtels nach hinten gedreht und dem Ritter dessen Ende in die Hand gedrückt. So führte er ihn durch die Nacht, bis die Morgenröte im Osten einen neuen Tag verkündete.
    Es gelang ihnen, in einem der wenigen sächsischen Gehöfte Kleidung zu stehlen. Sie entledigten sich ihrer Waffenröcke, stopften diese in ihre Beutel und streiften sich stattdessen die grob gewebten Kittel über. Schwieriger war es hingegen, die Waffen zu verstecken. Schließlich wickelten sie sie in Decken ein, die sie sich dann wiederum auf den Rücken banden.
    Gwyn richtete es so ein, dass sie am Tage marschierten und gut eine Stunde vor Sonnenuntergang ein Nachtlager suchten, um noch die Gelegenheit zu haben, den einseitigen Proviant durch Beeren und Nüsse aufzuwerten, die sie in den Wäldern sammelten. Sie alle hatten mittlerweile ein Verlangen nach frischem Fleisch, denn der getrocknete Fisch wie auch das mitgeführte Dörrfleisch hingen langsam allen zum Hals heraus. Dennoch gingen sie nicht auf die Jagd. Keiner hatte Lust darauf, einen Hasen roh zu verzehren, denn es verbat sich von selbst, abends ein Feuer zu entfachen.
    Nachts hielt Gwyn gemeinsam mit Lancelot die erste Wache, während Muriel, Katlyn und Rowan stets die Schicht bis zum Morgengrauen übernahmen. Gwyn hatte Lancelot nach einigem Hin und Her davon überzeugen können, auch Katlyn in das Geheimnis einzuweihen. Sie war ohnehin schon misstrauisch geworden, da die beiden jede Nacht verschwörerisch beisammen hockten.
    Zum ersten Mal in seinem Leben konnte sich Gwyn selbst ein Bild davon machen, wie es sich unter der Herrschaft der Sachsen leben musste. Und das, was sie auf ihrer Wanderung nach Londinium sahen, war alles andere als erbaulich.
    Offensichtlich hatten die neuen Herren ihre Drohung tatsächlich wahr gemacht und alle Bauern

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