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Haarmanns Kopf

Haarmanns Kopf

Titel: Haarmanns Kopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roy Ebstein
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4

 
    München-Schwabing bei Nacht. Die Straßen menschenleer. Nieselregen, wie feiner Puderzucker, fiel vom schwarzen Nachthimmel.
    Ein schwarzer Opel Insignia bog von der James-Loeb-Straße in die Kraepelin-Straße ab. Der Fahrer steuerte den Wagen bis zur Rümannstraße und parkte dort auf der rechten Seite vor einem dreistöckigen Wohngebäude. Ein Mann, dunkel gekleidet und unauffällig, verließ das Fahrzeug, schloss die Fahrzeugtür und zog sich den Hut tiefer ins Gesicht. Dann ging er auf die andere Seite, klappte den Kragen seines Trenchcoats hoch, öffnete die Beifahrertür und nahm eine Styroporbox vom Sitz. Mit der Box unterm Arm folgte er der Kraepelin-Straße circa 200 Meter bis zum Haupteingang des Max-Planck-Instituts für Psychiatrie. Dort verharrte er einen Augenblick, um sich zu konzentrieren. Sein Aufraggeber hatte ihm den Weg und das Gebäude genau beschrieben. Auch das weitere Vorgehen hatte er minuziös geplant. Es durfte nichts schiefgehen, denn zu viel hing von dem Gelingen seines Plans ab. Über den grauen Asphalt näherte er sich den Stufen des verglasten Eingangs, öffnete die Tür und betätigte die Nachtglocke, die neben einer weiteren Schiebetür angebracht war.
    „Ja, bitte“, meldete sich eine Stimme.
    „Guten Abend. Mein Name ist Armin Feuersenger vom Institut für Kommunikation und Gehirnforschung in Stuttgart. Ich habe hier eine Lieferung für Professor Jendral.“
    „Um diese Uhrzeit? Haben Sie mal auf die Uhr geschaut?“
    „Ja, ich weiß. Aber was soll ich machen? Ich bin mit dem Wagen auf der Autobahn liegengeblieben, und die Reparatur hat etwas länger gedauert.“
    „Warten Sie, ich komme zur Tür“, krächzte die Stimme durch den Lautsprecher der Gegensprechanlage.
    Der Pförtner, von Berufs wegen ein vorsichtiger Mensch, blinzelte durch die Glasscheibe und sah, dass der Mann eine Box auf dem Boden abgestellt hatte. Er entriegelte die Tür und bat er den Fremden herein.
    „Ich benötige noch eine Unterschrift auf dem Lieferschein“, sagte der Fremde, nachdem er die Box auf dem Tresen abgestellt hatte. „Sie wissen ja, Ordnung muss sein.“ Er lächelte freundlich. „Haben Sie einen Kugelschreiber?“
    „Ja, habe ich“, antwortete der Pförtner.
    Er legte den Lieferschein auf die Ablage des Tresens, um den Empfang der Box zu quittieren. In dem Moment, als er sich nach vorne beugte, spürte er einen dumpfen Schlag. Rasend schnell breitete sich ein heftiger Schmerz im hinteren Bereich seines Kopfes aus, der von dort aus wie ein Blitz seinen gesamten Körper erfasste.
    Er sackte benebelt in sich zusammen.
    Dann folgte Dunkelheit.
    Der Fremde verlor keine Zeit. Er schob gekonnt seinen Teleskopschlagstock zusammen, steckte ihn in die Innentasche seines Trenchcoats, packte den Bewusstlosen an den Armen und zog ihn über den Boden hinter den Tresen. Das Blut, das sich langsam um die klaffende Wunde am Hinterkopf seines Opfers bildete und im Nackenbereich nach unten floss, hatte schnell den Hemdkragen erreicht. Der Baumwollstoff saugte nur einen Teil des Blutes auf. Der weitaus größere Teil tropfte auf den Boden, auf dem sich schnell eine tiefrote Lache bildete. Mit dem Schlüsselbund des Pförtners und einer Karte aus dessen Brusttasche machte sich der Mann auf den Weg zum Fahrstuhl, der ihn in den Keller des Gebäudes brachte. Den Weg zu seinem Ziel hatte er anhand einer Zeichnung seines Auftraggebers auswendig gelernt. Bald hatte er die Stahltür erreicht, die durch ein elektronisches Kartenschloss gesichert war. Er zog die Karte durch den Schlitz. Eine grüne Leuchtdiode leuchtete auf, gefolgt von einem kurzen Klicken des elektronischen Schlosses. Die Tür sprang auf.
    Er schaltete das Licht ein und suchte systematisch die Regale nach einem durchsichtigen Behälter ab. Im letzten Fach eines kleinen Regals, das im seitlichen, hinteren Bereich stand, fand er, wonach er gesucht hatte. Auf einem gelben Aufkleber stand in verblasster, bläulicher Schrift:

 
    Gehirnschnitte Haarmann

 
    Mit einer vorsichtigen Bewegung drehte er das mit einer Folie verschlossene Gefäß so, dass Teile eines Gehirns sichtbar wurden, die in einer durchsichtigen Flüssigkeit schwammen und sich leicht hin und her bewegten. Seine Finger berührten sanft die vordere Seite des Behälters, ganz so, als wolle er, einem Anflug von Zärtlichkeit folgend, die Gehirnscheiben streicheln. Sein Auftraggeber würde mehr als zufrieden mit ihm sein. Er nahm den Behälter an sich und verließ

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