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Haarmanns Kopf

Haarmanns Kopf

Titel: Haarmanns Kopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roy Ebstein
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Traum?
    Nein, jetzt wurden die Bilder deutlicher. Er erinnerte sich an sein Treffen mit Olaf Schröder und an das Gesicht des Pflegers im Innenspiegel seines Autos. Schröder hatte ihm ein Tuch gegen Mund und Nase gedrückt. Dann musste er das Bewusstsein verloren haben und von Schröder hierhergebracht worden sein. Ja, so musste es gewesen sein. Doch wo war er? Wie spät war es, wie lange war schon hier?
    Kettner versuchte seine Gedanken zu sortieren und spürte, wie die Kälte langsam seinen Körper erfasste und sich bald bis in seine Extremitäten ausbreitete. Er wollte sich langsam aufrichten, musste aber feststellen, dass sein Körper mit Gurten auf einem metallenen Untergrund, den er mit seinen Fingerkuppen ertasten konnte, befestigt war. Arme und Beine waren fixiert, ebenso sein Hals und der Oberkörper. Auf seinem Mund klebte ein Pflaster oder ein Stück eines Klebebands.
    Panik stieg in ihm auf. Er wollte schreien, doch mehr als ein ersticktes Gurgeln brachte er nicht heraus. Immer wieder versuchte er an den Gurten zu zerren, um sich ein kleines Stück Bewegungsfreiheit zu verschaffen. Es war aussichtslos.
    Nach einigen Minuten gab er erschöpft auf.
    Völlig orientierungslos lag er da und hoffte, dass ihn bald jemand finden und befreien würde. Nie zuvor hatte er erleben müssen, wie es ist, jedes Gefühl für Raum und Zeit zu verlieren. In der Stille glaubte er die einzelnen Sekunden zu hören, die wie Wassertropfen in einen Ozean tropften. Wenn es so etwas wie Ewigkeit gab, war er jetzt in ihr gefangen.
    Plötzlich wurde es heller in dem Raum. Eine Leuchtstoffröhre begann über ihm zu flimmern.
    Er hörte das Quietschen einer Tür.
    Dann Schritte, die sich näherten.
    Seine Augen gewöhnten sich langsam an das Licht, das mit jeder Sekunde heller wurde. Er versuchte den Kopf zu heben, und erst jetzt spürte er, dass ein Gurt über seine Stirn gespannt war und jede Kopfbewegung unmöglich machte.
    Wer tat ihm so etwas an?
    Die Lichtquelle, direkt über ihm, verdunkelte sich für einen Moment. Schemenhaft nahm er die Umrisse eines menschlichen Gesichts wahr, das sich zu ihm hinunterbeugte.
    Wer war diese dunkle Gestalt?
    Schröder, war Kettners erster Gedanke.
    Doch was wollte der von ihm?
    Der Fremde schaltete eine Operationslampe ein, die am Rand des Tisches befestigt war. Für einen kurzen Augenblick fiel ein Teil des Lichtscheins auf das Gesicht des Mannes.
    Das war nicht Schröder.
    Das Gesicht kam Kettner bekannt vor, doch so sehr er sich auch anstrengte, er konnte es nicht zuordnen.
    Kettner spürte eine Hand auf seiner Haut, die langsam über seinen Oberkörper nach oben glitt. Sie stoppte unvermittelt, als die fremden Fingerspitzen seine Wange berührten.
    Ein zartes Tätscheln.
    Plötzlich ein schmerzhafter Ruck.
    Kettner schrie auf.
    Der Fremde hatte den Klebestreifen entfernt. Kettners Lippen brannten und er schnappte nach Luft.
    „Wasser“, krächzte er.
    „Das wäre nicht gut“, antwortete eine Stimme.
    „Bitte, Wasser“, bettelte er erneut. Sein Flehen blieb unbeantwortet. „Wer sind Sie? Und was wollen Sie von mir?“
    Nach einem weiteren Moment des Schweigens drehte der Fremde die Operationslampe ein wenig nach rechts, sodass die Konturen seines Gesichts im Lichtkegel deutlich zu sehen waren.
    „Das tut nichts zur Sache“, antwortete er.
    Kettner überlegte fieberhaft, woher er das Gesicht kannte. Dann fiel es ihm ein.
    Nein. Er musste sich irren. Das konnte er unmöglich sein. Spielten ihm seine von Tränen getrübten Augen einen Streich?
    „Dembowski“, keuchte er. „Sie sind Dembowski! Wie ist das möglich?“
    Wenn dieser Mann tatsächlich Dembowski war, befand er sich hier irgendwo in der Klinik. Oder war Dembowski geflohen?
    Die Gestalt entfernte sich wieder aus Kettners Blickwinkel, ohne die Frage zu beantworten. Kettner versuchte, ihm mit seinen Augen zu folgen, die dabei zuckend hin und her tanzten.
    Über ihm eine weiß getünchte Decke, links und rechts weiß geflieste Wände.
    „Reden Sie mit mir“, forderte Kettner zaghaft. „Warum bin ich hier? Was haben Sie vor?“
    Er vernahm das Geräusch quietschender Gummirollen, das sich langsam näherte und dann plötzlich stoppte. Aus seinen Augenwinkeln konnte er einen silberfarbenen, glänzenden Behälter erkennen, den der Fremde in Höhe seiner Schulter platzierte. Der Behälter war circa anderthalb Meter hoch, hatte einen Durchmesser von 40 Zentimetern und war mit einem weißen Tuch abgedeckt. Unter dem Tuch schien

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