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Haben oder Nichthaben

Haben oder Nichthaben

Titel: Haben oder Nichthaben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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«Auf drei Meilen.»
    Vier, dachte Harry. Beinahe vier.
    Harry konnte die winzigen Spritzer auf der glatten Wasserfläche sehen, aber die Schüsse konnte er nicht hören.
    Diese conchs sind jammervoll, dachte er. Schlimmer noch, sie sind lächerlich.
    «Was für ein Regierungsboot gibt’s hier, Käptn?» fragte der mit dem großen Gesicht und blickte vom Heck weg.
    «Küstenschutz.»
    «Wieviel können die machen?»
    «Vielleicht zwölf.»
    «Dann sind wir jetzt okay?»
    Harry antwortete nicht.
    «Sind wir also nicht okay?»
    Harry sagte nichts. Er hielt sich rechts von der aufsteigenden, größer werdenden Turmspitze von Sand Key, und die Bake auf den kleinen Sand-Key-Bänken zeigte sich beinahe dwars an Steuerbord. Noch zehn Minuten und sie hatten das Riff hinter sich.
    «Was ist denn mit Ihnen los? Können Sie nicht reden?»
    «Was haben Sie mich gefragt?»
    «Gibt’s noch irgendwas, was uns jetzt einholen kann?»
    «Küstenschutzflugzeuge», sagte Harry.
    «Wir haben den Telefondraht durchschnitten, bevor wir in die Stadt kamen», sagte der mit der angenehmen Sprechweise.
    «Die Funkverbindung habt ihr wohl nicht durchschnitten?» fragte Harry.
    «Sie glauben, daß das Flugzeug hier herauskommen kann?»
    «Bis es dunkel ist kann Ihnen das passieren», sagte Harry.
    «Was glauben Sie, Käptn?» fragte Roberto, der mit dem großen Gesicht.
    Harry antwortete nicht.
    «Los doch. Was glauben Sie?»
    «Warum haben Sie den Scheißkerl da, meinen Steuermann, killen lassen?» sagte Harry zu dem mit der angenehmen Sprechweise, der jetzt neben ihm stand und sich den Kompaßkurs ansah.
    «Schnauze», sagte Roberto. «Kill dich auch.»
    «Wieviel Geld habt ihr bekommen?» fragte Harry den mit der angenehmen Sprechweise.
    «Das wissen wir nicht. Wir haben es noch nicht gezählt. Es gehört uns ja sowieso nicht.»
    «Vermutlich nicht», sagte Harry. Er war jetzt am Leuchtturm vorüber und steuerte 225 Grad, seinen gewöhnlichen Kurs für Havanna.
    «Ich will damit sagen, daß wir es nicht für uns persönlich tun, sondern für eine revolutionäre Organisation.»
    «Meinen Steuermann habt ihr wohl auch dafür gekillt?»
    «Es tut mir sehr leid», sagte der Junge. «Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie leid es mir tut.»
    «Probieren Sie’s gar nicht erst», sagte Harry.
    «Sehen Sie», sagte der Junge mit leiser Stimme, «dieser Mann, dieser Roberto da, ist schlecht. Er ist ein guter Revolutionär, aber ein schlechter Mensch. Er hat zur Zeit von Machado so viele gekillt, daß es ihm jetzt direkt Spaß macht. Er findet es spaßig, jemanden zu killen. Er killt natürlich für eine gute Sache. Die beste Sache der Welt.» Er sah nach hinten auf Roberto, der jetzt im Heck auf einem der Angelsitze saß, mit dem Thompsongewehr über den Knien, und auf die weißen Boote zurückblickte, die jetzt, wie Harry sah, viel kleiner waren.
    «Was haben Sie zum Trinken da?» rief Roberto vom Heck her.
    «Nichts», sagte Harry.
    «Dann trink ich meinen eigenen», sagte Roberto. Einer der anderen Kubaner lag auf einer der Bänke, die über den Benzintanks eingebaut waren. Er sah bereits seekrank aus. Der andere war offensichtlich auch seekrank, saß aber noch aufrecht.
    Als er zurückblickte sah Harry ein bleifarbenes Boot, das jetzt klar vom Fort war, das gegen die weißen Boote aufholte.
    Da ist das Küstenschutzboot, dachte er. Auch jammervoll.
    «Glauben Sie, daß das Wasserflugzeug kommen wird?» fragte der Junge mit der angenehmen Sprechweise.
    «In einer halben Stunde ist es dunkel», sagte Harry.
    Er setzte sich auf seinem Steuersitz zurück. «Was habt ihr vor? Mich auch killen?»
    «Ich will’s nicht», sagte der Junge. «Ich hasse killen.»
    «Was machst du denn?» fragte Roberto, der jetzt mit einer Literflasche Whiskey in der Hand dasaß. «Schließt Freundschaft mit dem Kapitän? Was willst du denn, am Kapitänstisch essen?»
    «Nehmen Sie das Steuerrad», sagte Harry zu dem Jungen. «Sehen Sie den Kurs? Zweifünfundzwanzig.» Er reckte sich beim Aufstehen und ging nach hinten.
    «Geben Sie mir einen Schluck zu trinken», sagte Harry zu Roberto. «Da haben Sie Ihr Küstenschutzboot, aber es kann uns nicht kriegen.»
    Er hatte jetzt Ärger, Haß und jegliche Würde als Luxus aufgegeben und zu planen angefangen.
    «Gewiß doch», sagte Roberto. «Das kann uns nicht einholen. Sehen Sie sich mal die seekranken Wickelkinder an. Was sagen Sie? Sie wollen einen kippen? Haben Sie sonst noch irgendwelche letzten Wünsche, Käptn?»
    «Sie

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