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Haben Sie das von Georgia gehoert

Haben Sie das von Georgia gehoert

Titel: Haben Sie das von Georgia gehoert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Childress
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amüsante Anekdoten, mit denen er seine verkommenen Freunde unterhalten konnte.
    Man hat keinen Einfluss darauf, wie man geboren wird, dachte Georgia oft. Aber man kann wenigstens versuchen, sich darüber zu erheben.
    Sie warf die Bettwäsche in den Trockner, schaltete ihn ein und ging wieder nach oben. Warmer, blütenduftender Dampf stieg durch die Ritzen zwischen den Bodendielen herauf. Sie schüttelte das weiße Oberbett auf. Eugene hatte immer gesagt, dieses Weiß mache ihn nervös; er habe dann Angst, es mit Wein zu bekleckern oder Schlimmerem.
    Sie ging zur Kommode. Die oberste Schublade: Sonntag. Sie zog das Foto des Richters aus der Wachspapierhülle und schob es in den silbernen Rahmen, in dem zuvor Eugenes
Bild gewesen war. Sie nahm drei gerahmte Drucke aus der Schublade – verschiedene Ansichten von General Robert E. Lee auf seinem Pferd Traveller – und stellte sie auf das Kaminsims. Sie drapierte ein altes Spitzendeckchen über die Rückenlehne des samtbezogenen Sessels.
    Sie zog die Kaminuhr auf, faltete ein leinenes Handtuch für die silberne Haarbürste und den Handspiegel seiner Mutter auseinander und breitete es auf der Kommode aus. Sein Blick wanderte immer als Erstes zu der Kommode, um sich zu vergewissern, dass die Sachen da lagen.
    Georgia füllte die Lampe mit Öl und zündete sie an. Sie schloss die Balkontür und drehte die Klimaanlage auf. Sie schaltete das elektrische Licht aus und schob eine CD mit dem Soundtrack von Ken Burns’ The CivilWar in den Player. Zwei Holzscheite auf den Kaminrost, eine verzwirbelte Zeitung darunter. Daneben eine neue Schachtel Streichhölzer zum Anzünden.
    Eine Drehung des Schlüssels verschloss alle sieben Schubladen. Den Schlüssel schob sie wieder in sein Versteck an der Rückseite.
    Der Richter glaubte, dass es in diesem Zimmer immer so aussah. Jeder Mann glaubte das Gleiche. Keiner von ihnen ahnte, dass Georgia es jeden Tag umdekorierte, wenn sie die Bettwäsche und das Bild im Rahmen wechselte.
    Jeder Mann glaubte, er sei der Einzige. Das war ein entscheidender Bestandteil ihres Arrangements. Niemals erlaubte sie sich die kleinste Nachlässigkeit in den Details. Nur indem sie die Regeln des Auseinanderhaltens strikt befolgte, konnte sie alle diese Teller auf ihren Stöcken rotieren lassen.
    Das tat sie nicht nur für sich selbst. Sie tat es für Little Mama, die drei Ehemänner überlebt hatte, von denen keiner
ihr auch nur einen Cent hinterlassen hatte … für den nichtsnutzigen Brother, aber vor allem für jemanden, der an jedem vierten Samstag eine bestimmte Summe bei der Western Union in der Poydras Street, New Orleans, erwartete.
    Eine alte Schuld, die Georgia immer noch abzahlte.
    Die Kommode hatte sieben Schubladen, eine für jeden Wochentag. Für jede Schublade gab es einen Mann, außer am Montag. Der Montag war ihr freier Abend.
    Aber nachdem Reverend Samstag ausgeräumt worden war, hatte sie zwei leere Schubladen.
    Diese Männer waren eigentlich nicht Georgias Liebhaber, obwohl sie ihnen erlaubte, es zu glauben. Jeder Einzelne nahm an, er trage zum Lebensunterhalt seiner Geliebten bei.
    Für Georgia waren sie eher Klienten. Oder Patienten. Sie betrachtete sich selbst als eine Art Wissenschaftlerin oder Therapeutin, die nach einer unkonventionellen Methode arbeitete. Sie hatte mehr als eine Ehe in Six Points gerettet, das wusste sie. Sagten die Männer nicht, nur ihretwegen könnten sie noch bei ihren Frauen bleiben? Jeder sagte ihr das, früher oder später.
    Aufpassen war die Überschrift der Lektion des heutigen Tages. Mit Entsetzen dachte sie daran, wie sie tagträumend in der Bank gesessen und sich selbst in dem Spiegel in ihrem Kopf bewundert hatte, ohne etwas von der Gefahr zu ahnen, die da heraufgezogen war. Sie hätte Brenda Hendrix auf zehn Meilen kommen sehen müssen.
    Du lieber Gott, sie war am Rand einer Katastrophe entlanggeschlittert! Was wäre passiert, wenn Eugene ihren Namen ausgeplappert hätte?
    Da hatten sie in ihren Kirchenbänken gesessen und dieser Predigt gelauscht. Jeder Einzelne. Sonntags der Richter.
Dienstags der Präsident der First National Bank. Mittwochs der Arzt. Donnerstags der Zeitungsverleger. Freitags der Sheriff. Und natürlich der, der da predigte, der Mann Gottes: Mr. Saturday Night!

3
    Prediger waren schon Heuchler, bevor Christus auf Erden wandelte, dachte Georgia, und sie sah das Bild im Chorzimmer vor sich. Was glaubst denn du, wer diese Geldwechsler in den Tempel eingeladen hat? Der Chef. Ein

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