Haben Sie das von Georgia gehoert
geplant: Man musste die Erwartungen dämpfen.
»Ich verstehe«, sagte Eugenia. »Ich bin auch mächtig dankbar für jede Hilfe, die Sie mir geben können.«
»Das ist schon in Ordnung«, sagte Georgia. »Ich habe vor zwei Wochen eine telegraphische Überweisung an Ree geschickt. Am vierten Samstag des Monats. Haben Sie das Geld abgeholt?«
»Ich bin hingefahren. Musste noch ewig auf den zweiten Bus warten, aber als ich dann ankam, sagten sie mir, auf der Überweisung müsste mein Name stehen, nicht ihrer«, erzählte Eugenia. »Sie wollten’s mir nicht geben, wenn Sie es nicht noch mal und auf meinen Namen überweisen.«
»Ich gehe morgen zur Western Union und kläre die Sache. Seit wann ist Ree schon … weg?«
Eugenia wusste es nicht genau. Drei oder vier Wochen.
»Und wie geht’s dem Jungen?«
»Wie bitte?«
»Dem Jungen«, wiederholte Georgia. Sie hatte seinen Namen noch nie laut ausgesprochen, aber das war kein Grund, es weiterhin nicht zu tun. »Nathan. Wie geht’s ihm?«
»Ach, er ist ein guter Junge, aber er isst unheimlich gern.« Eugenia gluckste.
»Ja, das haben Sie geschrieben. Ist er gescheit? Gut in der Schule?« Georgia hoffte, er komme wenigstens in einer Hinsicht nach ihr.
»Weiß ich nicht«, antwortete Eugenia. »Ich glaube nicht, dass er in letzter Zeit hingegangen ist.«
»Er hat kein Examen gemacht?«
»Dieser Junge nicht. Macht zu gern Dummheiten. Ich hab ihm gesagt, wenn er sich nicht am Riemen reißt, schicke ich ihn rauf nach Alabama, und dann können Sie sich um ihn kümmern. Das hat ihm anscheinend einen ziemlichen Schrecken eingejagt.«
»Ja, hören Sie, Miz Eugenia, was das angeht … ich bin hier oben eigentlich nicht drauf eingerichtet, mich um einen Jungen zu kümmern. Meine Mutter ist invalide – und mein Bruder ist auch behindert. Was immer wir tun, wir müssen zusehen, dass er bei Ihnen bleibt.«
»Ich verstehe«, sagte Eugenia. »Ich könnte mir denken, Sie wollen auch nicht, dass er in die Stadt kommt und alle erfahren, dass Sie einen schwarzen Sohn haben.«
»Na ja, das spielt auch eine Rolle«, räumte Georgia ein. »Und ich meine, es ist ja nicht so, dass wir einander kennen. Ich hab ihn nie gesehen. Seit seiner Geburt nicht mehr.«
»Dann sollten Sie mal zu Besuch kommen«, sagte Eugenia. »Er würde seine Mama gern kennenlernen.«
»Hat er das gesagt?«
»Nein, aber wenn Sie eine Mama hätten, würden Sie die nicht gern kennenlernen?«
»Ich habe eine«, sagte Georgia. »Und rückblickend würde ich sagen, nein.«
Whizzy sprang zu ihr auf den Sessel, und Georgia streichelte seine Ohren. Mit Eugenia zu sprechen war einfach. In ihrem Ton lag kein Vorwurf. Georgia konnte sich nicht erinnern, jemals so entspannt mit einer schwarzen Person geredet zu haben. Mit Ausnahme von Skiff natürlich – und deshalb war sie ja in diese Lage gekommen.
»Sie könnten uns ja einfach mal besuchen«, schlug Eugenia vor. »Ich würde nicht versuchen, Ihnen den Jungen anzuhängen.«
»Das ist sehr nett von Ihnen. Ich hab immer davon geträumt, mal nach New Orleans zu fahren.«
»Na, dann kommen Sie doch einfach, Baby«, sagte Eugenia. »Wir bringen Ihnen das Essen bei. Ich weiß, dass Sie klapperdürr sind. Ree hat gesagt, Sie waren immer ein winziges kleines Hüpferchen, sogar während der Schwangerschaft.«
Georgia hörte entzückt, dass jemand sie als »winziges Hüpferchen« bezeichnete. »Ist das Ihr Ernst? Ich muss hungern, damit ich nicht aufgehe wie ein Ballon.«
Eugenia lachte. »Ich sehe eher aus wie der Goodyear-Zeppelin, aber was soll’s? Meine Mama war auch dick. Bisschen Fleisch auf den Knochen, das schadet nicht.«
Als Georgia schließlich auflegte, war sie davon überzeugt, dass es dem Jungen bei Eugenia viel besser ging als bei Ree. Es war, als wäre ihr eine Last von den Schultern genommen worden. Alles zusätzliche Geld, das sie schicken könnte, würde gut verwendet werden.
10
Shelley Grinnell in der Wee-Pak-N-Ship-Paketannahme brauchte fast eine Stunde, um das Durcheinander mit Western Union zu klären und das Geld noch einmal zu überweisen, diesmal an Eugenia Jordan. Als Zeichen ihres guten Willens hatte Georgia noch fünfzig Dollar dazugelegt.
»Was ist denn aus der geworden, an die wir sonst immer überwiesen haben?«, fragte Shelley neugierig.
»Das war Cousine Ree«, erklärte Georgia, und damit Shelley ein schlechtes Gewissen bekam, fügte sie hinzu: »Sie hat uns verlassen.«
»O je. Mein Beileid«, sagte Shelley. »Was ist
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