Haben Sie das von Georgia gehoert
Dunkelheit. »Miss Georgia? Soll ich Sie mitnehmen?«
Sie konnte das Gesicht nicht erkennen. Die Stimme kam ihr bekannt vor, aber wer unter ihren männlichen Freunden hatte ein so dunkles Radiotimbre?
Dann trat er ins Licht, und o ja, natürlich, das war der neue Pastor, Mr. Blondlocke, der Reverend Brent Colgate. Da stand er neben seinem Chrysler K-Car mit dem Jesusfisch auf dem Nummernschild. Hatte er die ganze Zeit da gestanden und sie beobachtet?
»Na, hallo«, sagte Georgia, denn die beste Verteidigung war immer noch der Angriff, »was machen Sie denn hier?«
»Ich habe unsere kranken Brüder und Schwestern besucht«, antwortete er. »Ich nehme Sie gern mit.«
»Nein, danke, ich gehe gern zu Fuß. Die Bewegung tut mir gut.« Natürlich hätte sie den Reverend gern besser kennengelernt, aber die Lage war kompliziert genug für eine Nacht.
Jetzt noch mitzufahren – da hätte sie die Probleme geradezu heraufbeschworen.
Andererseits.
Brent hatte sie schon gesehen. Wenn sie sein Angebot annähme, könnte sie ihn vielleicht von dem, was immer er sonst mitbekommen haben mochte, ablenken. Und die Heimfahrt in seinem Wagen würde die Gefahr verringern, dass ihr noch jemand anders über den Weg lief.
Wenn man es sich recht überlegte, hatte Georgia eigentlich keine andere Wahl, als mit ihm zu fahren. Also schickte sie ihm ein telepathisches Signal: Frag mich noch mal.
»Sind Sie sicher?«, fragte er. »Ich bin auf dem Heimweg. Ich setze Sie gern irgendwo ab.«
»Na ja … wenn es Ihnen wirklich nichts ausmacht?« Sie lächelte ihn dankbar an. »Ein bisschen spät ist es ja. Six Points ist natürlich absolut sicher, aber trotzdem – so spät nachts noch zu Fuß unterwegs zu sein …«
»Mir wäre es ein Vergnügen, Miss Georgia«, sagte er mit diesem aufregenden Grollen, das so dunkel klang, dass es immer ein wohliges Gefühl hervorrief. Und es war nicht nur seine Stimme, sondern auch sein Benehmen. Er wirkte so höflich. Heutzutage fand man diese Eigenschaft bei jungen Männern nicht mehr so oft. Georgia erinnerte sich, dass die Freunde ihres Vaters in Anwesenheit einer Dame mit dieser ausgesuchten Höflichkeit gesprochen hatten. Colgate riss die Beifahrertür seines K-Car auf, als wäre es eine Limousine mit Chauffeur.
»Der arme Ted«, sagte sie beim Einsteigen. »Wir sind alte Freunde, schon seit der Highschool … Wenn er dieses Herzflimmern bekommt, ruft er immer mich. Ich fahre ihn dann her, und sie machen irgendwas mit ihm, keine Ahnung, wie
man es nennt. In einer Stunde geht’s ihm wieder besser, und dann fährt er selbst nach Hause.«
»Es ist sehr nett von Ihnen, dass Sie ihm helfen.« Brent Colgate startete den Motor.
Georgia schnallte sich an. In Colgates Wagen roch es nach alten Fritten.
»Ted ist ein netter Mann«, fuhr sie fort. »Irgendwie traurig, wenn man drüber nachdenkt. Er ist der Arzt, der dafür sorgt, dass alle gesund bleiben, aber wenn er selbst krank wird, wen kann er dann rufen?«
»Es hat mir Spaß gemacht, Dr. Horn kennenzulernen«, sagte Brent. »Für einen Mediziner hat er keinen schlechten Humor.«
Georgia fragte sich, ob das eine subtile Spitze gewesen war. Sie drehte den Kopf zur Seite und musterte ihn. Er schaute mit seinen leuchtend grünen Augen ruhig nach vorn auf die Straße. Allzu subtil kam er ihr eigentlich nicht vor. Für einen Prediger kleidete er sich ziemlich schick. Heute Abend machte er auf salopp, aber die Ärmel seines grün karierten Hemds waren genau in der richtigen Höhe aufgekrempelt, und die Khakihose hatte eine scharfe Bügelfalte. Den Duft, der von ihm ausging, konnte Georgia nicht identifizieren; er war holzartig wie Old Spice, aber mit einer stärkeren Moschusnote.
»Bestimmt brauchen auch Sie in Ihrem Beruf Humor«, sagte sie und lenkte das Gespräch von Ted ab.
»O ja«, entgegnete der Reverend. »Ich habe eben noch ein Gemeindemitglied besucht, dessen Namen ich nicht nennen möchte. Er wurde erst kürzlich operiert, und zwar am – wie soll ich es nennen? An seinem Hinterteil. Und er war ganz versessen darauf, mir die Narbe zu zeigen.«
Georgia lachte. »Sie haben hoffentlich abgelehnt.«
»Mit allergrößtem Nachdruck.« Colgate ließ sein milchweißes Lächeln erstrahlen. »Aber wenn ich darüber nachdenke, weiß ich nicht, ob das richtig war. Ich bezweifle, dass Christus sich abgewandt hätte. Ich glaube, er wäre bereit gewesen, sich dem Anblick des Leidens dieses armen Mannes zu stellen.«
»Versuchen Sie immer zu tun, was
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