Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Haben Sie Hitler gesehen - Haben Sie davon gewußt

Haben Sie Hitler gesehen - Haben Sie davon gewußt

Titel: Haben Sie Hitler gesehen - Haben Sie davon gewußt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
Vom Netzwerk:
-Mädchen aufgeteilt, wir mußten unsere Jacken anbehalten oder ausziehen. Und die in den weißen Blusen waren die Buchstaben GROSSDEUTSCHLAND , und wir haben schrecklich gefroren.
    Adolf haben wir dann aus der Vogelperspektive gesehen, im Auto, winkend.
    Das war mein Eindruck von Hitler.
    Hausfrau, 1927
    Enorm lange gewartet. Wir sollten Spalier bilden und durften nicht die Kletterwesten anziehen, damit es recht schön aussieht in unsern weißen Blusen. Eine unendliche Menschenmenge. Wir waren schon morgens da, hatten kein Brot mit und gar nichts. Nachmittags kam er dann, die Hand so erhoben, vor seinem Gesicht, ich hab ihn überhaupt nicht sehen können. Und die Begeisterung der Menschen, wie das näher kam, und dann konnte man ihn nachher überhaupt nicht sehen.
    Ich habe geheult, als ich dann zu Haus war.
    Anglist, 1911
    1935.– Um der SA zu entgehen, meldete ich mich bei der schwarzen Reichswehr. Erst 1935 wurde die allgemeine Wehrpflicht wiedereingeführt, und da hatte ich dann schon ein Jahr rum. So kam ich 1935 raus und hatte meiner Wehrpflicht schon genügt.
    Eine Frau
    1935.– Eine Bekannte fragte mich: » Hast du schon gehört? Die allgemeine Wehrpflicht ist wiederhergestellt.«
    Das fand ich nicht berauschend. Wir wohnten nämlich neben einem Exerzierplatz, und da sah man, wie geschliffen wurde.
    Textilverkäuferin, 1927
    Hitler sah ich am Gorch-Fock-Wall, vielleicht kam er von den Landungsbrücken hoch. Von der Schule sind wir dahin beordert worden.
    Ich habe sehr viel gelesen. Meine Tante war eine Leseratte. Und da habe ich auch viel gelesen. An meinen ersten Roman kann ich mich nicht erinnern, aber an » Nesthäkchen«, die habe ich alle, alle gelesen. Leider sind sie alle verbrannt.
    Flugzeugbauer, 1927
    Mit einem Schulausflug zum Gorch-Fock-Wall, wo wir zum Jubeln hinbestellt waren, sah ich ihn. Wir schrien und jubelten, aber eigentlich über den Ausflug. Meinem Vater hat Hitler bei einem Werftbesuch die Hand gegeben. Er war sehr stolz darauf, wir neckten ihn, er dürfe sich nicht mehr die Hand waschen. Nicht im Ernst, nein, das war nur so ein Spaß.
    Germanistin, 1909
    Ich hab’ ihn mal in Hamburg gesehen, und zwar muß das Anfang 1935 gewesen sein, ich war gerade frisch promoviert, da fuhr er durch die Grindelallee. Für mich war verblüffend die geringe Teilnahme, es stand kaum jemand am Straßenrand, ich hatte mir das anders vorgestellt. Das Heilrufen erstarb wegen der Dünne und wegen des Genierens. Die Leute gingen zum Teil einfach weiter, einkaufen oder was.
    Er stand in seiner berühmten Haltung im Wagen, hielt sich an der Stange da fest, die da angebracht war. Es war alles geflaggt, Blumengirlanden usw., offiziell war alles geschehen, aber es passierte absolut nichts.
    Hausfrau, 1925
    Der war ja mehrfach in Hamburg. Vorbeifahrend im Auto und einmal noch aus dem Zug winkend.
    Wie das im Auto war, da hatten wir Blumen mit. Da hatte ich aus dem Garten Flieder mit, als BDM -Mädchen natürlich. Das muß am Gorch-Fock-Wall gewesen sein. Da mußten wir Spalier stehen, von morgens früh, den ganzen Tag. Wir durften nicht mal weggehen, um uns was zu kaufen. Gegen Nachmittag kam er dann endlich an. Das war dann ein Moment, wo er vorbeirauschte, und dann war Schluß. Bloß geschrien hat man, obwohl man schon heiser war, denn aus Jux hatten wir immer schon vorher geschrien, wenn ein Radfahrer oder so was kam. Und das setzte sich dann so fort. Alles schrie » Heil!«, und dann kam so ein kleiner Radfahrer an. Aber beeindruckt hat uns das wohl doch damals. Das war ein erhebender Moment, wenn dies brausende Hitlergeschrei sich fortsetzte von Straße zu Straße, wenn zuerst die weißen Motorräder kamen und dann sein Wagen, in dem er aufrecht stand. Das war wohl mehr Massenpsychose. Man hatte den ganzen Tag darauf gewartet.
    Und dann ging ich zurück und kam gerade am Dammtor-Bahnhof an, als er über die Brücke fuhr. Ich stand ganz unten und sah ihn oben im Fenster stehen, wie er so typisch grüßte.
    Verkäuferin, 1917
    In der Mönckebergstraße habe ich gestanden, alle Geschäfte waren geschlossen, der Führer kam. Der Krieg war noch nicht in Gang. Abends hat er in der Hanseatenklause irgendeine Rede gehalten. Im Hotel Atlantik hat er gewohnt. Er ist nur ganz selten nach Hamburg gekommen, das hing irgendwie mit einer Wahl zusammen. Die ganze SA war da, auch aus andern Städten, und da ist er durchgefahren. Er stand im Wagen, verneigte sich und grüßte so … aber verzog keine Miene. Wie eine Puppe.

Weitere Kostenlose Bücher