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Haben Sie Hitler gesehen - Haben Sie davon gewußt

Haben Sie Hitler gesehen - Haben Sie davon gewußt

Titel: Haben Sie Hitler gesehen - Haben Sie davon gewußt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
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machte bekannt, und außerordentlich liebenswürdig wurde jeder von uns mit Handschlag begrüßt. Ein paar konventionelle Redensarten, und man nahm wieder Platz. Es ergab sich, daß Hitler neben mir auf einem Sofa zu sitzen kam. Fast übergangslos begann er von Buna zu sprechen, das ist ein vollwertiger Ersatzstoff für Gummi. Ich war ahnungslos, aber das spielte keine Rolle, Hitler sprach in pausenlosem Redefluß. Er erwartete nicht, befragt oder überhaupt unterbrochen zu werden.
    Mit einer leidenschaftlichen Intensität hielt er einen Vortrag, dem wir, unvorbereitet, wie wir waren, mit z. T. nur gespieltem Interesse lauschten. Dauerte es ’ne halbe Stunde, oder eine? Eine ganze? Na ja, lebhaft und plötzlich, wie er aufgetaucht war, verschwand er wieder. Etwas verbiestert blieben wir zurück, und es dauerte ein Weilchen, bis wir unser unterbrochenes Gespräch wiederaufnahmen, also wirklich, dies schien mir merkwürdig. Das war meine Begegnung mit Hitler.
    Professor, 1910
    Ich sah den Kopf vorbeifahren, ich sah ihn zwischen andern Köpfen. Wahrscheinlich hat er ein Podium im Auto gehabt. Und vom Kopf sah man eigentlich nur Schirm und Mütze. Da hinten war nix drin.
    Lehrer, 1912
    Ich habe ihn 1934 oder 1935 im Herbst in Heide/Dithmarschen auf dem Marktplatz stehend gesehen, er fuhr in 3 Metern Entfernung langsam im offnen Auto vorbei. Unheimlich war, dessen erinnere ich mich genau, ein lähmendes Schweigen, das ganz vereinzelt kaum von einem zögernd leise gerufenen » Heil« unterbrochen wurde. Er fuhr nach Albersdorf und Wöhrden, wo einige SA -Raufbolde umgekommen waren.
    Filmproduzent, 1923
    Ja, ich bin Berliner und hab’ das alles von der Straße aus miterlebt.
    Ich fand alle unerträglich, bloß Hitler nicht. Baldur von Schirach zum Beispiel, den haben wir mit seinem Auto umgeschmissen, weil wir den nicht leiden konnten.
    Aber Adolf nicht.
    Es ist das Komische, daß man von einem Eindruck überhaupt nicht reden kann, weil er tabu war.
    Die Zeit war irre. Ich war dafür und gleichzeitig mit den Eltern in der Bekennenden Kirche.
    Vertreter, 1920
    Es war 1935, da kam er nach Heidelberg, und ich bin damals an einer Fassade hochgeklettert, und unter mir stand die Ehrenkompanie, die er dann abgeschritten hat. An und für sich ein ganz banaler Vorgang. Warum war man so beeindruckt und ist als 15jähriger nach Hause gegangen mit dem Gefühl, etwas Besonderes erlebt zu haben? Man hörte und sah ja nichts anderes.
    Die heutige Jugend ist zu beneiden, die kann alles erleben, Bücher, Reisen, während wir doch damals nur das offizielle Bild bekamen.
    Direktor einer Volkshochschule, 1925
    1934/35.– Es war ein Ereignis, wenn man mal ins Kino durfte. » Die Schlacht am Blauen Berge«. Großaufnahmen von Pferdeköpfen, wenn sie erschossen wurden.
    Das ist ja wohl sogar ein klassischer Film geworden, den man ab und zu jetzt noch sieht, wenn es um Filmgeschichte geht.
    Regisseur, 1926
    Vor 1936.– Besonders die Filme haben mich beeindruckt, die in der sogenannten » Systemzeit« spielten. Die waren auf heimliche Weise anziehend, und ich glaube, die Leute, die sie gemacht haben, die hatten auch Spaß daran. Wie es ja immer angenehm ist, das Verwerfliche darzustellen. Das Hehre der Nazifilme war schwächer als das Verruchte der Systemzeit. Der ehemalige Hauptmann ist verarmt, sein Bursche ist reich geworden und lädt all die früheren Kameraden ein in seine Villa, und auch natürlich den ehrenvollen armen Vater, und in der Villa hatte er den Unterstand nachgebaut, 1916, von Verdun und geschmückt und » Willkommen!« und so was alles. Und die spielten dann noch mal Ersten Weltkrieg in dem Haus, die ganzen Männer!
    Mich hat daran interessiert, daß es möglich war, in einem Haus einen Unterstand zu bauen, so wie im Deutschen Museum in München ein Bergwerk steht. Das hat mich interessiert.
    Hausfrau, 1923
    1935.– An die » Machtergreifung« erinnere ich mich nicht mehr, ich war damals 10 Jahre alt.
    Na ja, wir mußten dann zum Jungmädchenvolk antreten, und das war eigentlich recht nett. Da hatten wir eine Lehrerin, die hat das Ganze geleitet, da haben wir so Heimabende gehabt, wie ihr das heute von der Kirche habt. Da haben wir gesungen, gespielt, weiter nichts. Sport getrieben, Tänze gemacht. Also, ich muß sagen, der Anfang der Nazizeit war recht nett, da haben wir überhaupt nichts Nachteiliges erlebt, im Gegenteil.
    Sekretärin, 1925
    Am 1. Mai 1935 auf dem Maifeld in Berlin, da hat’s geschneit! Da waren wir BDM

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