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Haben Sie Hitler gesehen - Haben Sie davon gewußt

Haben Sie Hitler gesehen - Haben Sie davon gewußt

Titel: Haben Sie Hitler gesehen - Haben Sie davon gewußt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
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hilf!« – und das hat mich erschreckt.
    Buchhändlerin, 1920
    Mein Vater war begeisterter Nationalsozialist. Als leitender Mann vom Rundfunk kannte er Hitler persönlich, sie haben sich furchtbar viel unterhalten über Deutschlands Zukunft.
    Meine Mutter war nie Nationalsozialist. Einmal waren sie bei Hitler eingeladen, da sagte mein Vater hinterher: » War das nicht herzlich? Diese herrlichen blauen Augen?«– Und da sagte meine Mutter: » Das fand ich nicht, der hatte kalte Fischaugen.«
    Arzt, 1925
    Ich war in Berchtesgaden auf Urlaub, 1937 oder 1938, mit meinen Eltern. Da hieß es: Hitler kommt, und zwar mit der Bahn. Er stieg aus und ging in seinen Wagen, ich hab’ ihn gesehen, wie er aus der Bahnhofshalle kam. Volk jubelte. Hab’ mich durchgeschlängelt in die vorderste Reihe, hatte eine kleine Kamera bei mir, Marke SIDA , 1,50 Mark, quadratisches Format. Und damit hab ich ihn geknipst. Ich habe ihn eigentlich gar nicht richtig gesehen, weil ich immer durch den Sucher kuckte, ich sah ihn immer verkleinert. Nachher dann auf dem Bild. Zweimal hab ich ihn knipsen können. Leider sind die Bilder verbrannt.
    Sekretärin, 1922
    » Wir müssen auf den Obersalzberg, wir müssen Hitler sehen!« sagte mein Großvater. » Heinrich, du kommst doch mit, nicht?« Mein Vater wollte nicht mit, aber er ging dann doch mit, die beiden verstanden sich ja ausgezeichnet.
    Also, wir auf den Obersalzberg, und dann haben wir da gestanden und gestanden und gestanden, und dann sahen wir in der Ferne Göring und Goebbels mit’m Schäferhund spielen. Das haben wir uns angeguckt.
    Dann kam Hitler, und wir sind alle an ihm vorbeigegangen. Er faßte jeden ins Auge, und die kleinen Mädchen rief er: » Komm mal her!« Und mit der einen ließ er sich fotografieren. Das war eine blonde.– Und dem kleinen Bernhard rief er zu: » Wo kommst du denn her?« Der hat gar nichts geantwortet, so verdattert war der.
    Und dann sind wir frohgemut runtermarschiert und haben Torte gegessen.
    Jurist, 1944
    Das hat mir meine Mutter erzählt, daß eine Freundin von ihr mal in Berchtesgaden spazierengegangen ist, und sie wußte nicht, daß Hitler dagewesen ist, und ging also da spazieren und kam so um ’ne Buschgruppe rum, und dann kam ihr Hitler in Begleitung von einigen andern Leuten entgegen, und sie grüßte dann, und Hitler nickte ihr zu. Und diese Freundin sagte ihr nachher also, sie hätte, wie immer, die blauen Augen und so, sie wäre… also irgendwie wär’ sie fasziniert gewesen. Der Eindruck, den der Mann gemacht hat, muß doch also sehr, sehr stark gewesen sein.
    Buchhändler, 1925
    Ich hab ’ ihm meine Patschhand gegeben. Auf dem Obersalzberg. Mein Vater wollte unbedingt rauf, er sagte: » Da müssen wir hin.« Viele Menschen waren da, die wollten alle den Hitler sehen, und SS -Männer suchten ein paar Kinder heraus und brachten sie zum Hitler. Da war ich auch dabei und hab ihm eben die Hand gegeben.
    Eine Frau
    Ich wohnte in Berchtesgaden, aber für uns war der Salzberg zum Pilzesammeln da und Spazierengehn, und wir haben uns gewundert und geärgert über das dauernde Gefrage nach den hohen Persönlichkeiten.
    Arzt, 1925
    Ein Studienrat von unserer Schule war in Berchtesgaden gewesen und auf dem Obersalzberg. Da wurde der Führer geknipst, jeweils mit einem Jungen. Die zeigten das denn rum: Ich mit dem Führer. Ja, das wurde gemacht, das passierte nicht häufig, aber das wurde gemacht. Das war ein Heiligtum.
    Wir machten uns eigentlich über den Jungen lustig. Über den Jungen, weil das eitel gedacht war. Aber Hitler war das Heiligtum.
    So aber hätten wir das damals nicht formuliert.
    Buchhändler, 1924
    1938 gehörte ich zu einer Hitlerjugend-Abordnung, die unserm » geliebten« Führer auf dem Obersalzberg zum Jahreswechsel einen Blumenstrauß übergeben sollte. Bedingung war, daß man eine bestimmte Sorte Überfallhosen hatte, und die Ösen in den Schuhen mußten achteckig sein. Und die hatte ich nicht! Aber ich konnt’ mir welche leihen. Wir sind also am 31. Dezember zum Obersalzberg gefahren und standen da Rotz und Wasser frierend herum. Immer hat es geheißen: » Der Führer kommt« oder » Der Führer kommt nicht« und dann wieder » Der Führer kommt«. Und dann kam ein dicker Mann von drinnen, und der sagte ganz einfach: » Der Führer hat keine Zeit.«
    Pastor, 1926
    Etwas ganz Furchtbares war die Hitlerjugend. Ich war Pastorensohn und außerdem sportlich nicht gerade sehr hervorragend. Und das war nicht geeignet, irgend etwas

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