Haben Sie Hitler gesehen - Haben Sie davon gewußt
wettzumachen. Also, wenn ich an die Zeit denke, dann kann ich nur sagen, es war ein Spießrutenlaufen von allen Seiten. Auf’m Dorf, wo man bekannt war, wo man nicht die Möglichkeit hatte unterzutauchen, dann Oberschüler… also, es kam alles Negative, in der damaligen Sicht, zusammen.
Man wurde immer bloßgestellt. Das war ja einfach. So ein Gruppenführer, bei » Richt euch!« einen als Blödmann hinzustellen. Ich war immer derjenige, der der oberste Idiot war, so ungefähr. Und man hatte natürlich nicht das Selbstgefühl, sich darüber hinwegzusetzen. Ich hab’ dann versucht zu schwänzen, aber das ging auch nur bis zu einem gewissen Grade, dann wurde man geholt, und einen Pastorensohn zu holen, war dann ja ein besonderes Vergnügen. Also, wenn ich daran denke…
Am schlimmsten war das 1938.
Hausfrau, 1907
Im Wintersport habe ich ihn gesehen. Als wir zurückkamen, von Hindelang, da kamen wir in Augsburg an einen Zug, das war wohl ein Sonderzug, da sind wir eingestiegen. Ich weiß heute nicht mehr, ob wir das durften, aber es muß ja wohl erlaubt gewesen sein.
Und wir waren schon eine ganze Zeit unterwegs, da wollten wir essen, im Speisewagen, da war aber alles voll SS . Es täte ihnen leid, sagte der eine SS -Führer, wir könnten nicht im Speisewagen essen, denn der Führer wär’ im Zug.– Ich sag, das ist aber schade, wir sind so hungrig, vielleicht besorgen Sie uns irgendeine Kleinigkeit?– Da kam er dann an unser Abteil und sagte: Sie können doch in’n Speisewagen. Und Fritz, der war damals wohl 5 Jahre alt, der war sonst immer sehr lebhaft, und diesmal saß er mit uns ganz artig. Was bist du bloß so artig? frag’ ich ihn. Der Führer sitzt direkt hinter dir, sagte er da. Und er hat dauernd den Führer angestarrt, unentwegt. Hat gestarrt und hat gestarrt. Und als er dann rausging aus dem Speisewagen, sprang alles auf. Und in Berlin holte mich meine Schwester ab. Und zuerst sprang Fritz aus dem Wagen, dann ich, so schön braungebrannt, und direkt hinter uns der Hitler. Die hat aber gekuckt! Wie da hinter uns der Hitler aus dem Zug ausgestiegen ist.
Journalist, 1928
Ich bin Berliner, genauer gesagt: Spandauer. Bei Hitler und Mussolini und Hitler und Molotow waren wir Klatschkulisse. Schirach hat mal das ganze Olympiastadion mit Hitlerjungen gefüllt, das müssen 90 000 gewesen sein. Wir waren frech damals. Wir haben nach jedem zweiten oder dritten Wort » Heil!« gebrüllt, und da wurde er sauer.
Wahrscheinlich haben wir nichts verstanden, und dann hat mich ein Führer rausgeholt und nach Hause geschickt, hat mich wohl für einen Anführer gehalten. Und als ich allein über den Vorplatz ging, kam er mit dem Auto gefahren.
Institutsleiter, 1929
In Berlin mußten wir Publikum bilden, im bitteren Winter mußten wir an der Reichskanzlei stehen, weil der Hitler dem japanischen Außenminister einen guten Empfang bereiten wollte. Die kamen auf den Balkon, und da seh’ ich einen gelben Fleck, das war der Hitler, und einen schwarzen Fleck, das war Matsukuo, der einen Zylinder trug.
Vier Stunden hatten wir in der Kälte stehen müssen.
Jurist, 1925
Einmal hab’ ich ihn gesehen, aber da können sich jetzt Erinnerungsfehler einschleichen. 1938 war ich 13 Jahre alt, und ich war mit meinem Vater in Berlin. Und da hieß es unter der Hand: Hitler besucht mit seinem Besucher die Garnisonskirche in Potsdam, und das weiß keiner! Wenn man dahin geht, kann man ihn sehen.
Wir standen draußen am Zaun, wir sahen ihn, wie er mit Mussolini aus der Kirche kam; 20, 30 Leute standen da, die guckten bloß. An Ovationen kann ich mich nicht erinnern. Sie kamen beide aus dem Portal raus und gingen das kurze Stück bis zum Zaun und stiegen ins Auto.
Beamter, 1926
Das zweite Mal hab’ ich ihn gesehen beim Sängertreffen in Breslau, das war 1938. Da stand ich in seiner Nähe auf dem Schloßplatz, und die Sänger marschierten an ihm vorbei. Und da hat mich die Begeisterung mitgerissen, und zwar, als die Sudetendeutschen die Sperre durchbrachen und auf die Tribüne zuliefen und unter Tränen riefen: » Wir wollen heim ins Reich.« Nachträglich kommt es mir so vor, daß das manipuliert war, daß die da die Reihen durchbrachen. Wie eine Erlöserfigur stand der da oben. Und das hat mich mitgerissen. Die Leute fielen sich in die Arme, und es wurde viel geweint.
Sportlehrer, 1920
1938, da war er in Breslau, da waren die Wettkampfspiele. (Manchmal denkt man heut’ noch dran zurück, bei den kriminellen Zuständen.) Im
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