Habitat C (German Edition)
bereits in den normalen Bereichen die Kameras ausschalten können, sodass Ihnen niemand auf die Schliche kommt.«
Wie zur Bestätigung wanderte die Gruppe in völliger Gelassenheit einen der Boulevards entlang, um dann in einer Art Seitengasse zu verschwinden. Sie näherten sich dem Unterkunftsbereich des ständigen Personals. Hier sah es gleich viel weniger herausgeputzt aus als eben noch auf den Hauptstraßen, dafür aber auch deutlich weniger künstlich, sondern einfach nur … ehrlich. Es gab sogar Graffiti an den Gangwänden, die den Reinigungsrobotern bisher entgangen waren. Daxxel fühlte sich beinahe wohl.
Um diese Zeit waren die Gänge fast menschenleer. Die meisten Bewohner gingen einer Tätigkeit nach, die Kinder waren in der Schule. Hier war nicht viel los, genauso wenig wie in einem Vorort einer geschäftigen Großstadt, dessen Bewohner alle von den Büros und Dienstleistungszentren des Stadtzentrums aufgesogen worden waren.
Schließlich bequemte sich Hardan doch noch zu einer Antwort. Wahrscheinlich war er zu dem Schluss gekommen, dass er im Zweifelsfall immer noch eine Gedächtnislöschung veranlassen konnte, ebenfalls ein Gedanke, den Daxxel derzeit nicht zu vertiefen beabsichtigte.
»Wir schalten die Kameras nicht aus. Wir überzeugen die beobachtenden KIs, dass sie gar nichts gesehen haben. Die Bilder werden von den KIs aufbereitet, ehe sie auf den Schirmen des biologischen Personals auftauchen. Also bekommt dieses nur zu sehen, was die KIs für Realität halten.«
»Wie machen Sie das?«
»Wir benutzen die Technologie, die in der Station enthalten ist und deren Gebrauch wir seit Jahrtausenden erlernen und an unsere Kinder weitergeben, genauso wie die Koordinaten der unentdeckten Plätze. Bezeichnen wir es als Teil unserer kulturellen Überlieferung, wenn Sie damit eher etwas anfangen können.«
Daxxel ließ sich mit solchen Gemeinplätzen nicht gerne abspeisen und hakte sofort nach.
»Geheime Technologie? Niib-Artefakte?«
Hardan zögerte etwas mit der Antwort. Möglicherweise war er zu dem Schluss gekommen, bereits zu viel geplaudert zu haben. »Geheim eigentlich nicht. Die jetzigen Besitzer der Station sehen sie nur nicht als sonderlich relevant an und haben ihr … Potenzial nie richtig erkannt. Es ist alles da. In Nanopaketen in den Wänden, in den alten Konsolen. Manches sieht wie eine Skulptur aus, ist aber Technologie. Wir erfinden nichts und wir haben gar keine Ressourcen. Wir sind keine Wissenschaftler. Aber wir wissen, wo was ist, und manchmal sogar, was man damit anfangen kann. Das sollte Ihre Neugierde befriedigen, Daxxel.«
Tat es nicht.
»Niib-Technologie?«, fragte er ein weiteres Mal, nur um ganz sicher zu sein, es richtig verstanden zu haben.
Hardan sah ihn an wie ein Lehrer ein unverständiges Kind, das dauernd Fragen stellte, den Gehalt der Antworten aber nicht richtig begriff und damit allen auf die Nerven fiel. Daxxel kannte diesen Blick – er fand sich in vielen Kulturen und bei vielen Spezies wieder – und hatte sich daran gewöhnt, Empfänger desselben zu sein.
»Ja, selbstverständlich.«
Daxxel schaute Zant bedeutungsvoll an. Sie wirkte nicht halb so beeindruckt wie er, was entweder darauf zurückzuführen war, dass er tatsächlich ein wenig naiv war oder andere Dinge ihren Verstand beschäftigten. Er jedenfalls fühlte in sich eine starke Anspannung aufsteigen. Der kleine Zipfel der Wahrheit, den er in Händen hielt, gehörte zu einem gigantischen Stück Information. So was machte ihn nervös, neugierig und vor allem furchtbar aufgeregt. Er freute sich über solche Dinge wie ein kleines Kind.
So gesehen war der Blick Hardans durchaus berechtigt gewesen.
Daxxel grinste.
Geheimnisse!
Er liebte Geheimnisse!
Die Gruppe betrat nach minutenlanger Wanderung eine Wohneinheit, die wohl gleichfalls leer stand, doch anstatt sich hier niederzulassen, führte Hardan sie ins Badezimmer, ohne sich lange mit Förmlichkeiten aufzuhalten. Er drückte eine Stelle an der Wand sanft ein, eine verborgene Tür öffnete sich und gab den Blick auf eine größere Räumlichkeit frei, die eher einem Lagerraum ähnelte als einem Wohnzimmer.
Dann machte er eine einladende Handbewegung.
»Bitte.«
Daxxel trat neugierig ein. An den Wänden standen ein paar Regale, es gab Sitzgelegenheiten, ein Zugangsterminal zum Stationsnetz und eine Nahrungsmitteleinheit. Die Wände bestanden aus kahlem Metall, ohne jede Verkleidung. Es gab einen weiteren Zugang an der gegenüberliegenden Wand.
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