Hackenholt 06 - Reichskleinodien
gehört. Aber schau, ich habe euch etwas mitgebracht.« Er hielt Winters Paket in die Luft. »Der Expressbote hat mich vorhin aus dem Bett geklingelt.«
»Sag jetzt nicht, dass du zum Langschläfer mutierst, sobald ich aus dem Haus bin.«
»Soll ich mal nachschauen, was Theo geschickt hat?«, fragte er anstelle einer Antwort.
Sophie musterte ihn. Den Tonfall kannte sie. »Hast du heute Nacht gearbeitet?«
Hackenholt nickte nach kurzem Zögern. »Im Moment überschlagen sich die Ereignisse.«
»Ich dachte, ihr habt den Reichsapfel gefunden und den Wienern in den Rachen geworfen?«
»Schon, aber in dem Zusammenhang gab es heute Nacht noch zwei Tote.«
»Ich glaube, das will ich im Augenblick gar nicht wissen. Mach lieber das Paket auf, ich bin neugierig, und Ronja schläft beim Trinken sowieso ständig ein. Das dauert noch Ewigkeiten, bis wir fertig sind.«
Als hätte er nur darauf gewartet, zückte Hackenholt sein Taschenmesser und kappte das Klebeband, bevor er den Karton auf Sophies Bett legte und den Deckel hochhob. Zum Vorschein kamen ein blau-weiß-geringelter Strampler mit kurzen Ärmeln, ein roter langärmliger, ein pinkfarbenes T-Shirt sowie ein hellgraues Langarmshirt. Allen war eins gemein: Sie trugen den Schriftzug Spatzl auf der Brust. Außerdem hatte Winter noch eine Dose Schweinsbratengewürz »Ludwigs Leibspeis« und eine Dose Käsegewürz – »Obadzd is!« – dazulegen lassen.
»Na, es hätte schlimmer kommen können«, grinste Sophie. »Er hätte Ronja auch Kleider mit I ♥ München schenken können.«
»Das hätte er sich nicht getraut! Er weiß, dass München nur eine ICE -Stunde von hier entfernt ist und er nicht am Ende der Welt wohnt, wo er vor dir in Sicherheit wäre.«
Montag
Als Hackenholt am Morgen ins Büro kam, fand er als Erstes den Zettel, auf den jemand Theo Winters Nachricht gekritzelt hatte. Daneben lag ein weiterer von Manfred Stellfeldt, der ihm mitteilte, er werde direkt zum Westfriedhof fahren, um zusammen mit Lisbet Belzl den beiden Obduktionen beizuwohnen. Dr. Puellen hatte gestern angerufen, und man verständigte sich darauf, bereits um sieben Uhr zu beginnen.
Aus der Einsatzzentrale erfuhr Hackenholt, dass es bezüglich der Fahndung nach Santino Di Canio keine Neuigkeiten gab. Niemand hatte den BMW mit dem gestohlenen Kennzeichen oder gar seinen Fahrer gesehen.
Christine Mur kam zur Lagebesprechung und teilte die bisherigen Ergebnisse der in Domenico Bonuccis Wohnung erhobenen Fingerspuren mit: Sie hatte unter anderem Abdrücke gefunden, die ihrer Meinung nach Santino Di Canio gehörten. Zum einen waren sie an diversen Orten in der Wohnung, daneben aber auch am abmontierten echten Nummernschild des BMW , in Luigi Di Natales beschlagnahmten Fiat und, das war das Entscheidende, am Reichsapfel.
Hinsichtlich der unzähligen ins Labor geschickten DNA -Spurenträger hatte sie natürlich noch keine Rückmeldung erhalten. So konnte sie nicht mit Sicherheit sagen, dass die Blutanhaftungen auf der Kleidung in den Müllsäcken tatsächlich von Felix Kurz stammten und wer welche Stücke getragen hatte. In circa zwei bis drei Tagen würden diese Ergebnisse wohl vorliegen.
Gerade als Wünnenberg und Hackenholt zum Frauengefängnis in die Mannertstraße aufbrechen wollten, läutete das Telefon des Hauptkommissars.
»Können Sie mir mal sagen, was Sie sich dabei gedacht haben?«, polterte Dr. Drosthoffs Stimme durch die Leitung. »Sie können doch nicht einfach den Reichsapfel an die Österreicher übergeben, ohne mich zuvor zu fragen. Das ist eine Unverschämtheit sondergleichen. So geht das nicht. Wie stehe ich denn jetzt da? Ich konnte nicht einmal bei der Pressekonferenz anwesend sein, dabei wäre das von äußerster Wichtigkeit gewesen. Das wird ein Nachspiel haben. Ich werde mich über Sie beschweren!«
»Tun Sie das, Herr Dr. Drosthoff. Soll ich Sie mit dem Präsidialbüro verbinden, oder haben Sie die Durchwahl unseres Herrn Polizeipräsidenten? Zuvor sollten Sie sich jedoch überlegen, ob Herr Kriminaldirektor Winter nicht die für alle Beteiligten beste Lösung ausgehandelt hat, indem er dafür sorgte, dass die Eigentümer des Reichsapfels durch die rasche Übergabe bestmöglich besänftigt wurden. Denn sollte es Nachfragen geben, wie es zu der Panne mit Dippold-Transporte kommen konnte, würde zweifellos Ihr unverantwortliches Handeln ans Licht kommen.«
»Was sagen Sie da?«, brauste Dr. Drosthoff auf.
»Soweit ich feststellen konnte, haben Sie als
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