Hades
All das sagte mir, dass die Schwestern versucht hatten, den Dämon alleine zu vertreiben, aber keinen Erfolg gehabt hatten. Ich wendete den Blick von den zerrissenen Seiten einer Bibel ab, es wühlte mich zu sehr auf. Keramikvasen waren umgeworfen worden, Möbel umgekippt. Es war seltsam, an einem Ort auf der Erde derartige Zerstörungen zu sehen, die von Dämonen herrührten. Dieses Haus war in seinen Grundfesten von etwas Bösem und Schrecklichem erschüttert worden. Es war auch entsetzlich warm, und selbst in meiner geistigen Form spürte ich die Hitze auf meiner Haut, als wäre ich lebendig. Molly zog sofort ihre Jacke aus, die anderen aber zeigten keine Regung, obwohl auch sie sich ganz offensichtlich unwohl fühlten.
Im zweiten Stock liefen wir an den Schlafzimmern vorbei, eine Reihe von zellengroßen Zimmerchen, jetzt ohne Matratzen, und an den Gemeinschaftsbädern. Schließlich erreichten wir eine Wendeltreppe aus Mahagoni, die zu dem Dachgeschoss führte, in dem man Schwester Mary Clare zu ihrem eigenen Schutz und dem der anderen isoliert hatte. Schwester Faith drückte sich unsicher herum.
«Können Sie Schwester Mary Clare wirklich wieder in die Hände Gottes zurückführen?», fragte sie.
«Bevor wir das beantworten können, müssen wir ihren Zustand kennen», antwortete Gabriel. «Aber auf jeden Fall werden wir es versuchen.»
Ivy berührte Schwester Faith sanft am Arm. «Führen Sie uns zu ihr?»
Die Nonne blickte Xavier und Molly prüfend an. «Sie alle?», fragte sie leise. «Sind Sie sicher?»
Gabriel lächelte leicht. «Die beiden sind härter im Nehmen, als man denkt.»
Ganz oben an der Treppe befand sich eine einzige, verschlossene Tür. Selbst in meiner astralen Form spürte ich das Böse, das dahinter pulsierte. Es war wie eine physikalische Kraft, die versuchte, die Gegenwart von Ivy und Gabriel abzuwehren. Zusätzlich zu der Muffigkeit sickerte unter der Tür noch ein anderer Geruch hindurch – der Geruch von fauligem Obst, wenn das Fruchtfleisch bereits schlaff und grau geworden war und die Insekten sich darüber hermachten. Xavier wich zurück, Molly hustete und hielt sich die Nase zu, nur meine Geschwister zeigten keine Reaktion. Sie standen Schulter an Schulter nebeneinander, in einer Geste vollkommener Einheit.
«Bitte entschuldigen Sie den Geruch», sagte Schwester Faith verlegen. «Aber auch Raumspray kommt an seine Grenzen.»
Der kleine Absatz vor der Tür wurde nur von einer Kerze auf einer antiken Kommode beleuchtet. Wachs tropfte auf den silbernen Kerzenständer hinab. Schwester Faith zog einen altmodischen Messingschlüssel aus ihren tiefen Taschen. Hinter der Tür konnten wir gedämpftes Rumpsen hören, hastiges Atmen und ein Quietschen, vermutlich einen Stuhl, der über den Holzfußboden gezogen wurde. Es folgte ein Geräusch, das wie Zähneknirschen klang, dann ein heftiges Krachen wie von knackenden Gelenken. Schwester Faith schlug das Kreuzzeichen und sah Gabriel verzweifelt an.
«Was, wenn Sie ihr nicht helfen können?», flüsterte sie. «Was, wenn der Herr uns seine Boten gesandt hat und auch sie versagen?»
«Gottes Boten versagen nicht», sagte Ivy ruhig. Sie zog ein schwarzes Haarband aus der Tasche und nahm ihre goldenen Locken zu einem Zopf zusammen. Es war nur eine kleine Geste, aber sie bedeutete zweifellos, dass sie sich auf einen gewaltsamen Kampf vorbereitete.
«Dadrinnen herrscht so viel Dunkelheit.» Das Gesicht von Schwester Faith war schmerzverzerrt. «Lebendige, atmende, fühlbare Dunkelheit. Ich möchte nicht dafür verantwortlich sein, dass jemand sein Leben lässt.»
«Heute Nacht wird niemand sterben», sagte Gabriel. «Nicht unter unserer Obhut.»
«Wie soll ich das glauben?» Schwester Faith schüttelte den Kopf. «Ich habe zu viel gesehen … Ich habe kein Vertrauen … Ich weiß nicht, ob ich das tun sollte …»
Zu meiner Überraschung trat Xavier vor. «Bei allem Respekt, Schwester Faith, aber wir haben keine Zeit zu verlieren.» Er sprach sanft, aber bestimmt. «Ein Dämon hat von einer Ihrer Schwestern Besitz ergriffen, und wir stehen an der Schwelle zu einem apokalyptischen Kampf. Diese beiden werden alles tun, um Ihnen zu helfen, aber Sie müssen sie ihre Arbeit machen lassen.»
Sein Blick verlor sich, als er sich in Erinnerungen zu verlieren schien. Doch er fasste sich wieder und legte Schwester Faith eine Hand auf die Schulter. «Manche Dinge können wir Menschen nicht begreifen.»
Wenn ich es in meiner geistigen Gestalt
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