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Hades

Hades

Titel: Hades Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Adornetto
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erklang ein scheußliches metallenes Kratzen. Das Auto taumelte einen Moment und schaukelte, als ob es versuchte, das Gleichgewicht zu halten. Doch die Schwerkraft gewann, und es stürzte eingehüllt in eine Staubwolke nach unten. Vögel flatterten auf, flohen aus den Bäumen. Sie hatten die Warnung begriffen. Xavier wurde nach vorne geworfen und prallte gegen das Lenkrad. Der Moment schien ewig anzudauern. Ich bekam einen Tunnelblick und nahm nur noch ganz bestimmte Ausschnitte wahr. Das Sonnenlicht, das durch die Windschutzscheibe fiel, über Xaviers Haar tanzte und es kupferfarben und golden glänzen ließ. Xaviers Haare hatten schon immer die Farbe von Honig oder Walnuss gehabt, aber heute, in diesem Moment, hätte ich schwören können, dass ein Heiligenschein aus goldenem Licht über ihm schwebte. Xavier hatte nicht den geringsten Versuch unternommen, sich zu schützen. Jeder andere hätte sich zumindest die Hände vors Gesicht gehalten, aber Xavier blieb unnatürlich ruhig. Er zeigte keine Anzeichen von Panik, als ob er bereit war, sein Schicksal zu akzeptieren. Als sein Haar zur Seite fiel, blickte ich in sein Gesicht, und es versetzte mir einen Stich, wie jung er aussah. Ich konnte in ihm noch den Schuljungen erkennen, der er vor ein paar Jahren gewesen war. Seine Haut war so rein und makellos, ohne ein einziges Fältchen. Seine Zeit auf der Erde hatte noch keine Spuren hinterlassen. Er hat kaum gelebt, dachte ich. Es gab noch so vieles, was auf ihn wartete, und jetzt würde er nicht mehr die Chance bekommen, erwachsen zu werden … zu heiraten … Kinder zu haben … die Welt zu verändern.
    Ich bemerkte plötzlich, dass ich schrie, laut genug, dass die ganze Stadt mich hören konnte, was aber niemand tat. Der Chevy raste immer noch kopfüber die Klippen hinab, wo er schließlich zerschellen und zu Staub zerfallen würde. Ich hatte mich in meinem ganzen Leben noch nicht so machtlos gefühlt. Mein Körper war tief unten in Hades eingesperrt und meine Seele zwischen den Dimensionen gefangen. Dann aber sah ich Jakes feixendes Gesicht im Rückspiegel und erkannte, dass ich vielleicht doch nicht ganz machtlos war. Ich drehte mich um und packte ihn an den Handgelenken. Er wirkte überrascht, schüttelte mich aber nicht ab.
    «Tu ihm nichts», flehte ich. «Ich mache alles, was du willst. Nenn mir deine Bedingungen.»
    «Wirklich?» Jake lächelte. «Ein Handel … wie interessant.»
    «Jetzt ist nicht der Moment für Spielchen», bettelte ich. Das Auto war nur noch Sekunden von den Felsen und dem staubigen Grund entfernt. «Wenn Xavier stirbt, werde ich dir das niemals verzeihen! Bitte … lass uns einen Deal machen.»
    «Okay», sagte Jake. «Ich lasse ihn am Leben, wenn du mir einen Wunsch erfüllst.»
    «Einverstanden», rief ich. «Aber halt das Auto an!»
    «Habe ich dein Wort?»
    «Das schwöre ich bei meinem Leben!»
    Der Chevy stoppte abrupt, mitten in der Luft, wie festgefroren. Es war vermutlich ein ziemlich merkwürdiger Anblick, und es war nur gut, dass keine Menschen in der Nähe waren, die das Ganze mitbekamen.
    «Wir sehen uns zu Hause, Bethany.»
    «Warte – du kannst ihn doch nicht einfach hier hängen lassen!»
    «Es wird sich schon jemand um ihn kümmern», sagte Jake und verschwand mit einem Fingerschnippen vom Rücksitz. Nur wenige Sekunden später spürte ich, dass sich Ivy und Gabriel näherten. Und da hielt auch schon ein Range Rover (ein Leihwagen?) mit quietschenden Bremsen an der Felskuppe. Als Gabriel den schwebenden Chevy sah, zögerte er keine Sekunde, rannte an den Klippenrand und sprang. Seine Flügel entfalteten sich und hielten ihn in der Luft, als er sich langsam nach unten hinabfallen ließ. Ivy tat es ihm nach und stürzte sich graziös wie ein Schwan die Klippen hinab. Während Gabriels Flügel schneeweiß und mit Messing und Gold besetzt waren, waren Ivys eher perlmuttfarben, wie eine Taube, und mit rosa Blütenblättern gesprenkelt. Xavier hatte die Augen geöffnet und starrte ungläubig auf die Engel, die jetzt direkt vor der Windschutzscheibe seines Chevys schwebten.
    «Was zum Teufel …» Ihm stockte der Atem.
    «Es ist alles in Ordnung», sagte ich. «Gleich bist du in Sicherheit.»
    Aber Xavier konnte mich nicht mehr hören. Er sah erstaunt zu, wie Gabriel seine Hände durch das Fenster steckte und das Autodach packte. Ivy tat hinten das Gleiche. Dann hoben sie das Auto langsam zurück auf die Straße. Es schien ihnen keine große Mühe zu bereiten, ihre

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