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Hades

Hades

Titel: Hades Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Adornetto
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sollten ein bisschen schlafen», sagte er. Es war das erste Mal, dass er mich direkt ansprach. Seine Stimme klang ganz anders, als ich es erwartet hatte. Sie war sanft, voll und leicht näselnd. Für jemanden in seinem Alter klang er ziemlich ausgelaugt und müde. «Machen Sie sich keine Sorgen wegen Asia; solange ich hier bin, tut sie Ihnen nichts.» Er schien stolz darauf zu sein, dass er ein guter Wächter war. «Mit ihr ist es zwar nicht ganz einfach, aber ich lass mich nicht so leicht austricksen, auch wenn das jeder denkt.»
    «Ich mache mir keine Sorgen», versicherte ich ihm. «Ich vertraue dir, Tucker.»
    «Sie können mich Tuck nennen», sagte er.
    «Gut.»
    Tuck zögerte einen Moment. Dann sah er mich interessiert an. «Warum sind Sie immer so traurig?»
    «Ist das so auffällig?», fragte ich lächelnd.
    Tuck zuckte die Achseln. «Ich sehe es in Ihren Augen.»
    «Ich denke an die Menschen, die ich liebe …», sagte ich, «und ob ich sie jemals wiedersehen werde.»
    Sein Gesicht zeigte plötzlich Schmerz, als ob meine Worte auch bei ihm Erinnerungen an die Oberfläche gebracht hatten, an denen er schwer trug.
    «Sie können sie wiedersehen, wenn Sie wollen», murmelte er. Hatte ich ihn richtig verstanden? Plötzlich waren alle meine Hoffnungen wieder da. Trotzdem gab ich mir Mühe, dass meine Stimme nicht zitterte.
    «Wie bitte?», fragte ich langsam.
    «Sie haben mich schon verstanden», murmelte Tuck.
    «Du weißt, wie man hier rauskommt?»
    «Das habe ich nicht gesagt», schnaubte er. «Nur dass Sie sie wiedersehen können.»
    Dieses Mal klang er leicht genervt, als ob er etwas erklären musste, was ihm offensichtlich schien. Mir kam der plötzliche Gedanke, dass dieser schwerfällige Junge mit dem schiefen Haarschnitt vielleicht mehr wusste, als er verriet. War seine Loyalität zu Jake am Ende nur vorgetäuscht? War es möglich, dass es in Hades jemanden gab, der noch einen Hauch von Gewissen hatte? Versuchte Tuck mir zu sagen, dass er bereit war, mir zu helfen? Es gab nur einen Weg, es herauszufinden.
    «Erklär es mir, Tuck», bat ich. Das Herz klopfte mir erwartungsvoll bis zum Hals.
    «Es gibt einen Weg», sagte er schlicht.
    «Erklärst du ihn mir?»
    «Nein, das ist zu kompliziert», antwortete er. «Aber zeigen kann ich es Ihnen.» Er legte warnend einen Finger an die Lippen. «Wir müssen allerdings sehr vorsichtig sein. Wenn uns jemand erwischt …» Er verstummte.
    «Ich bin zu allem bereit», sagte ich bestimmt.
    «In Hades gibt es fünf Flüsse und Seen. In einem vergisst man sein früheres Leben, und in einem anderen kann man dorthin zurückkehren. Jedenfalls vorübergehend», sagte Tuck. «Wenn Sie davon trinken, können Sie Ihre Lieben besuchen, wann immer Sie möchten.»
    «Besuchen? Wie?»
    «Projektion», sagte Tucker. Je mehr er erzählte, desto weniger begriff ich. Ich sah in fragend an und spürte, wie meine Erwartungen sich langsam in Enttäuschung wandelten. Vielleicht war Tucker einfach nicht ganz richtig im Kopf. Dass ich ausgerechnet in ihn so viel Hoffnung gesetzt hatte, war der Sargdeckel für meine Verzweiflung.
    Er sah das aufkeimende Misstrauen in meinen Augen und versuchte, sich besser zu erklären.
    «Es gibt hier Dinge, die in keinem Buch stehen. Wer vom See der Träume trinkt, gerät in eine Art Trance, die dem Geist erlaubt, sich vom Körper zu trennen. Es ist nicht ganz einfach, aber jemand wie Sie sollte es schnell lernen. Wenn Sie es erst einmal begriffen haben, können Sie reisen, wohin Sie wollen.»
    «Woher weiß ich, dass du die Wahrheit sprichst?»
    Mein mangelndes Vertrauen schien Tucker zu entmutigen. «Warum sollte ich lügen? Jake wirft mich ins Loch, wenn er erfährt, dass ich geplaudert habe.»
    «Und warum tust du es dann? Warum riskierst du deine Sicherheit?»
    «Sagen wir, ich habe noch eine Rechnung zu begleichen», erklärte er. «Außerdem sehen Sie aus, als könnten Sie einen Besuch zu Hause gut gebrauchen.» Bei seinem schwachen Versuch, Humor zu zeigen, musste ich lächeln.
    «Hast du es jemals geschafft? Einen Besuch zu Hause zu machen, meine ich?»
    In seine Augen trat ein verlassener Blick. «Als ich herausgefunden habe, wie es funktioniert, hat es für mich keinen Sinn mehr gemacht. Alle, die ich kannte, waren inzwischen tot. Aber Ihre Leute leben noch, Sie können nach denen schauen, die Ihnen etwas bedeuten.»
    Der Gedanke an den See erfüllte mich mit neuer Hoffnung.
    «Bringst du mich gleich dorthin?», bettelte ich.
    «Nicht so

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