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Hades

Hades

Titel: Hades Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Adornetto
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Saal. Jake, als Gastgeber, saß am Kopf. Mit grimmigem Gesicht setzte ich mich auf den für mich bestimmten Platz neben ihm. Uns direkt gegenüber saßen Diego, Nash und Yeats, die ich bereits an der Grube kennengelernt hatte, gemeinsam mit drei sehr schick gekleideten Damen. Überhaupt waren alle Gäste sehr gut aussehend, Männer und Frauen, wenn auch auf eine fremde und angsteinflößende Weise. Ihre Gesichtszüge waren so perfekt, als wären sie aus Glas, und wirkten trotzdem so anders als die von Ivy oder Gabriel. An meine Geschwister zu denken, versetzte mir einen Stich, und ich biss mir heftig auf die Lippe, um nicht loszuheulen. Ich mochte naiv sein, aber mir war klar, wie unklug es wäre, in einer Gesellschaft wie dieser Schwäche zu zeigen.
    Ich musterte die Gesichter um mich herum. So schön sie auch waren, sie wirkten habgierig, selbstgefällig und wachsam. Ihre Sinne schienen geschärft, wie bei einem wilden Tier, das auf der Jagd die Witterung aufnahm. Ich wusste, wie verführerisch und verheißungsvoll sie sich geben konnten, wenn sie menschliche Beute anlocken wollten. Doch auch wenn ihre Schönheit bestechend war, konnte ich Momente erhaschen, in denen ein Schatten ihres wahren Ichs zu sehen war, verborgen unter der Maske der Perfektion. Und was ich dort sah, ließ mich vor Schreck zusammenfahren, so sehr, dass ich es kaum schaffte, meinen Schock zu verbergen: Ich erkannte, dass ihr menschliches Äußeres nicht mehr war als eine Verkleidung.
    In ihrer wahren Gestalt waren die Dämonen alles andere als perfekt. Vielmehr waren ihre tatsächlichen Gesichter nahezu furchterregend. Mein Blick fiel auf eine Frau mit dunklen Locken, die auf eine klassische Art schön war. Sie hatte milchig weiße Haut und durchdringend blaue, mandelförmige Augen. Mit ihrer leicht gebogenen Nase und den runden Schultern sah sie aus wie eine griechische Göttin. Doch unter ihrem glamourösen Äußeren war sie der Inbegriff der Verwesung. Sie hatte einen unförmigen Schädel mit vorgewölbter Stirn und einem Kinn, das so spitz war wie ein Dolch. Ihre Haut war fleckig und zerschrammt, als ob man sie geschlagen hatte, und ihr Gesicht war mit nässenden Geschwüren und Beulen übersät. Ihre Nase war so weit in den Kopf hineingedrückt wie eine Schnauze. Abgesehen von ein paar einzelnen verfilzten Haaren, die ihr im Gesicht hingen, war sie kahlköpfig. Ihre wahren Augen waren verhangen und blutunterlaufen, und ihr Mund war nicht mehr als ein Schlitz. Wenn sie jedoch den Kopf zurückwarf und lachte, konnte man Zahnstummel und verfaultes Zahnfleisch erkennen. Wohin ich auch schaute, überall am Tisch ergab sich ein ähnliches Bild, und ich spürte, wie sich mir der Magen umdrehte.
    «Starr sie nicht so an», warnte mich Jake. «Entspann dich einfach, fokussiere sie bloß nicht.»
    Ich befolgte seinen Rat, und tatsächlich verschwanden die Bilder sofort, und die Gesichter wurden wieder zu grausamen, aber wunderschönen Masken. Aber zu spät. Meine angespannte Stimmung war den anderen längst aufgefallen und als Unhöflichkeit interpretiert worden.
    «Was ist los, Prinzessin?», fragte Diego über den Tisch hinweg. «Entspricht unsere Gastfreundschaft nicht Ihrem üblichen Standard?»
    Bei den anderen schien Diegos Kommentar alle Schleusen zu öffnen. Offensichtlich hatten sie sich bisher lediglich zusammengerissen.
    «Sieh an, sieh an, ein Engel in der Hölle», kicherte eine Rothaarige, die, wie ich mitbekommen hatte, Eloise hieß. «Wer hätte das gedacht?»
    «Bleibt sie lang?», beklagte sich ein Mann mit einem akkurat gepflegten Bart. «Sie stinkt nach Tugend, das verursacht mir Kopfschmerzen.»
    «Was erwartest du, Randall?», prustete jemand los. «Die Gerechten um sich zu haben, bedeutet immer Stress.»
    «Ist sie noch Jungfrau?», fragte die Rothaarige. «Ich habe schon lange keine mehr gesehen. Dürfen wir uns mit ihr amüsieren, Jake?»
    «O ja, wir teilen sie uns!»
    «Oder wir opfern sie. Jungfrauenblut soll gut für die Haut sein.»
    «Hat sie noch ihre Flügel?»
    «Natürlich, du Depp, die verliert sie doch fürs Erste nicht.»
    Alarmiert sah ich auf. Was sollte diese Andeutung? Würde ich irgendwann flügellos sein? Doch Jake drückte mir beruhigend den Arm und sagte mir mit einem Blick, dass er mir später alles erklären würde.
    «Majestät, dieses Mal haben Sie sich selbst übertroffen», sagte ein anderer Gast.
    Die Stimmen verschwammen zu einem Chor aus Gemurmel. Für mich waren sie wie Kinder, die

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