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Hades

Hades

Titel: Hades Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Adornetto
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Kostümfest oder was?»
    Hanna ignorierte mich. Ihr Blick wanderte nervös in Richtung Tür, während sie mir hastig in das Kleid half und den Reißverschluss am Rücken zuzog. Obwohl es aus Samt war, fühlte es sich so filigran und leicht an wie eine zweite Haut. Hanna wies mich an, mich hinzusetzen, und flocht meine Haare zu ordentlichen Zöpfen, in die sie geschickt Seidenbänder hineinband. Dann schminkte sie mich mit Puder und nachtblauem Lidschatten.
    «Ich sehe lächerlich aus», sagte ich gereizt, als ich mich im Drehspiegel betrachtete.
    «Aber nein», antwortete Hanna schnell. «Sie sehen aus wie eine Königin.»
    Ich hatte nicht die geringste Lust, meine Hotelsuite zu verlassen, um an einer von Jakes schrillen Festlichkeiten teilzunehmen. Mein Zimmer war der einzige Ort, an dem ich mich halbwegs wohl und sicher fühlte. Aber die nervöse Hanna zog mich am Arm und drängte mich zur Tür.
    In der Lobby wartete eine kleine Gruppe von Leuten auf uns, von denen ich die meisten von der letzten Feier wiedererkannte. Sie alle verstummten, als ich aus dem gläsernen Fahrstuhl stieg. Ich sah mich nach Tucker um, konnte ihn aber nirgendwo entdecken. Jake, der unruhig in der Lobby hin und her gelaufen war, kam auf mich zu. Er wirkte gleichzeitig erleichtert und beeindruckt. Der böse Blick, den er Hanna zuwarf, zeigte eindeutig, wem er die Schuld daran gab, dass wir so spät kamen.
    Jake nahm meine Hände und hob sie in die Höhe, um mich eingehend betrachten zu können. Ein anerkennendes Lächeln erhellte sein missmutiges Gesicht.
    «Perfekt», murmelte er. Ich machte keine Anstalten, sein Kompliment anzunehmen. Jake selbst war mit Handschuhen und Frack gekleidet und wirkte wie einem Porträt aus dem 18. Jahrhundert entsprungen. Sein Haar war streng nach hinten gekämmt, und seine kohlrabenschwarzen Augen leuchteten.
    «Heute keine Lederjacke?», fragte ich trocken.
    «Man sollte sich immer den Gegebenheiten entsprechend anziehen», antwortete er freundlich. Jetzt, wo ich da war, entspannte er sich langsam. «Du vergisst, wie viel ich schon von der Welt gesehen habe. Ich kann Mode aus den letzten zwei Jahrtausenden auswählen, aber alles, was älter ist als hundert Jahre, finde ich etwas altmodisch.»
    Ich entdeckte Asia in der Lobby, die mir giftige Blicke zuwarf. Sie trug ein hautenges Kupferkleid mit tiefem Ausschnitt, so hoch geschlitzt, dass man ihre braunen Oberschenkel sehen konnte. Ihre perlmuttfarbenen Lippen glänzten wie Spiegel, als sie sich mit einem Schmollmund neben Jake schlängelte.
    «Es ist Zeit zu gehen», sagte sie. «Bist du bereit, Prinzessin?»
    Ich wusste, dass sie uns bei Jake nicht verraten würde, aus lauter Angst, sich damit selbst zu entlarven, aber wenn sie mich direkt ansprach, war mir trotzdem mulmig zumute.
    Draußen wartete eine offene pinkfarbene Limo auf uns. Der Fahrer stieg aus und öffnete uns die Tür. Nachdem wir uns hingesetzt hatten, sagte Jake etwas in einer Sprache zu ihm, die ich nicht verstand, und er startete den Motor.
    Wir fuhren, bis wir auf freier Strecke waren. Es war das erste Mal, dass Jake sich mit mir außerhalb der unterirdischen Tunnel wagte. Zunächst sah ich nichts als einen scharlachroten Himmel, der von Unmengen wilder Feuer beleuchtet wurde. Eine brodelnde Masse zog darüber hinweg und verhüllte den Horizont. Sie schien beinahe lebendig, so sehr zuckte sie und krümmte sich. Dann erst erkannte ich, dass es kein Schatten war, wie ich zunächst vermutet hatte, sondern ein Heuschreckenschwarm. Noch nie im Leben hatte ich so etwas gesehen. Wir fuhren wie in Zeitlupe, während aus den Fußwegen Dampf aufstieg. Nach einer gefühlten Ewigkeit bogen wir schließlich in eine Straße ein, die von verkohlten Autowracks gesäumt wurde. Die Landschaft wirkte so verlassen, dass sie sich hervorragend für einen Science-Fiction-Film geeignet hätte, in dem der Held nach einem Atomkrieg um sein Leben kämpfte.
    Ich hatte nicht die geringste Ahnung, wo wir waren. Abgesehen von meinem kurzen, verpfuschten Abstecher in die Einöde, hatte ich die Tunnel noch nie verlassen. Ich rätselte noch darüber nach, als ich im Nebel plötzlich schmutzige Figuren am Straßenrand ausmachen konnte. Und dann sah ich die Menge – Hunderte, Tausende von ihnen, die uns erwarteten, eingehüllt in Rauch und Asche. Ein Meer aus Gesichtern starrte uns mit suchenden leeren Blicken erwartungsvoll an. Worauf warteten sie?, fragte ich mich. Auf irgendein Signal, ein Zeichen? Und wenn ja, auf

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