Hände weg oder wir heiraten: Roman (German Edition)
aufgetaucht war. Nun, Pauline war heute im Dienst, sie würde nicht wieder mit Prügeln drohen – jedenfalls nicht im Augenblick –, aber der Anwalt war real. Er saß in der Küche und wartete nur auf seinen Einsatz.
»Sie können das jetzt sofort alles wieder ausladen«, sagte ich zu dem Möbelpacker, den ich für den Chef der Truppe hielt. Er war der Größte und Stärkste von den vier Typen, die hier zugange waren.
Er erwiderte mit gutturaler Stimme einen Satz in einer mir unbekannten Sprache und zeigte auf einen seiner Kollegen. Der war um einiges kleiner und schmächtiger als der andere, konnte mich aber problemlos verstehen. »Wenn Sie es sagen«, meinte er, als ich ihm erklärte, dass der Auftrag storniert war. Dann musterte er mich zweifelnd. »Sind Sie denn überhaupt zuständig?«
»Drinnen sitzt unser Anwalt«, sagte ich, eine Spur von Triumph in der Stimme. »Wir können ihn ja fragen, wie lange er braucht, um eine Anzeige wegen Hausfriedensbruchs einzureichen.«
Das schien ihn zu überzeugen. Während die Möbelpacker in aller Gemütsruhe die Kisten und Möbel wieder ausluden und zurück ins Haus schleppten, überlegte ich befriedigt, wie passend doch manche Irrtümer das Leben verändern konnten. Ich war so naiv gewesen, mir einzubilden, dieser Sven Bruckner wäre ein neuer Kunde, der sich wegen der Vorbereitung seiner Hochzeit mit mir zusammensetzen wollte. In Wahrheit war er Annabels Rechtsanwalt! Sie hatte wirklich schnell geschaltet, das musste man ihr lassen. So viel Entschlossenheit hatte ich ihr gar nicht zugetraut, schon gar nicht innerhalb dieser kurzen Zeit! Ich spürte, dass Annabels rasches und entschiedenes Vorgehen einen positiven Einfluss auf mich ausübte. Wenn sie in diesem Tempo über Klaus hinwegkam – was sollte mich daran hindern, in Nullkommanichts Thomas zu vergessen?
Doch allein der Gedanke an Thomas ließ meine Laune sofort in bodenlose Tiefen stürzen. Niedergeschlagen und immer noch auf nackten Füßen schlich ich zurück ins Haus. Am liebsten hätte ich mich noch für eine Runde Schlaf auf die Matratze begeben, doch daran war im Moment auf keinen Fall zu denken. Nicht, solange der Anwalt in der Küche saß.
Mit gesenktem Kopf öffnete ich die Küchentür und überlegte dabei krampfhaft, worüber ich mit dem Typ reden sollte, bis Annabel auftauchte. Von oben war das Rauschen der Dusche zu hören, es würde also mindestens noch zwanzig Minuten dauern, bis sie fertig war. Fünfundzwanzig, wenn sie sich schminkte.
Zu meiner Überraschung empfing mich der Duft von frisch aufgebrühtem Kaffee.
Sven Bruckner stand vor der Anrichte und deutete auf die Kaffeemaschine. »Ich dachte mir, Sie könnten einen vertragen, also habe ich mir erlaubt …«
»Sicher«, sagte ich hastig und seltsam verlegen.
Während das Kaffeewasser gurgelnd durchlief, holte ich zwei Tassen aus dem Schrank. Von dem Küchenkram war das meiste noch hier, wir hatten das alles erst gestern einpacken wollen.
»Alles in Ordnung?«, fragte Sven.
»Klar«, sagte ich großspurig, während ich Kaffee in die beiden Tassen goss. Ich dachte gar nicht daran, ihm meine private Tragödie auf die Nase zu binden. Er war Annabels Anwalt, nicht meiner. Sie musste geschieden werden, ich nicht. An mir war dieser Kelch gerade noch vorübergegangen. Knapp, aber rechtzeitig.
Während ich mich zu unserem Besucher an den Küchentisch setzte, versuchte ich, jeden Gedanken an mein Aussehen zu ignorieren. Mein Kopf brummte so laut, dass ich das Rumoren der Möbelpacker im Gang nur mit halber Lautstärke hören konnte, und meine Augen fühlten sich an wie zwei zu lange gekochte Frühstückseier.
Diesen Vergleich, so befand ich im nächsten Augenblick selbstkritisch, hätte ich mir besser gespart. Allein der Gedanke an Essen drehte mir den Magen um.
Ich hielt mich an meiner Kaffeetasse fest und versuchte, Konversation zu machen.
»Wissen Sie, dass ich zuerst wirklich gedacht habe, dass Sie einfach nur nett heiraten wollen? Und jetzt stellt sich raus, dass Sie als Anwalt hier sind! Die Welt ist manchmal echt klein, oder?«
»Äh – ja.«
Er nahm einen Schluck von seinem Kaffee, und widerwillig bewunderte ich die Art, wie er sich dabei bewegte. Er machte nichts weiter als Kaffeetrinken, aber er tat es auf eine Weise, die einem den Eindruck von Zielstrebigkeit und Effizienz vermittelte. Er wirkte dabei wie ein Mann, der wusste, was er wollte. Seine Hände waren groß und kräftig, seine Finger lang und schlank. Mein
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